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Yes! Poesie. Pluralwort. Zeitvertreib.

Yes! Poesie. Pluralwort. Zeitvertreib.

Pfeifer beim Schreiben am Küchentisch

Judith Nika Pfeifer


Was kann die Poesie? Die Poesie kann nichts dafür, es waren die Umstände (lacht). Das Schulsystem (diese Einschreibungen). Deutsch auf deutsch. Reimen. Was kann Poesie. Nichts dafür. Millionenfrage. Die Fragen nicht zu eng sehen. Und die Antworten. Kann alles. Kollektiv sein. Kann das kulturelle Gedächtnis tragen. Neben all den anderen Träger*innen des kulturellen Gedächtnisses. Kann einfach alles: Im besten Fall Genius der Zeit und zugleich Fortbewegungsmittel, Zeitmaschine sein – superhybrid, intermedial, zeitraumenthoben und eigentlich unsichtbar. Überhaupt da sein, damit das Innere nicht einfach so herausfällt. Und umgekehrt: Ist alles da, damit die Poesie nicht einfach so herausfällt. Poesie ist alles. Und die Frage nach dem, was sie kann, will vlt fassen, wie sie ist. Doch nicht wie die Poesie ist, ist das Mystische, sondern dass sie ist. Was sie ist. Dialogisches Prinzip. Communitas. Wesenswille. Happening. Storage unit. Pluralwort. Metaphysik. Zeitvertreib. Rites de passage. (Niemals) Selbst-konstituierend. Handlungsentlastend. A subversive flicker. Ein Spiel mit Symbolen und Zeichen. Mittel und zugleich Praxis, die Welt poetisch-sprachlich, sinnlich zu fassen und auszudrücken zu wandeln — etwas transformiert, auf eine Weise, die für einige von Wert ist. Das war nicht die Frage. Dichten ist weiten, sagt Elke Erb. Wir schälen die Zeit aus ihren Kernen, sagt Paul Celan. Wir schälen Gedichte aus ihrer Zeit und die Zeit aus ihren Gedichten, raumzeitenthoben und eigentlich unsichtbar auf lange Sicht. Vertreiben (uns) so die Zeit, gegenwärtig und entzeitet zugleich. Es ist etwas passiert. Etwas ist passiert. Das Internet tut der Poesie (der guten, der nicht so guten und ihrer Definitionsmacht) gut. Sie ist nun wieder lauter. Und anklickbar. (Gute) Poesie ist der Wahnsinn – sie klingt, als ob sie eine tiefe Wahrheit wäre – und kann das Unmögliche: Sie trägt / transportiert all diese vor(!)sprachlichen, unfassbaren Weisheiten (dennoch) über Sprache (!), so ganz zwischenzeilig. Wie paradox, ja magisch. Und für einige Momente, in solchen außersprachlichen (mehrfach paradoxen) Schreib-Lese-Sprech-Rezeptions-Momenten – das Vortragen eines Gedichts ja selbst ein Gedicht – sind wir (wieder) Babys, frei nach Tocotronic. Babys, die lesen können. Zaubern, das kann Lyrik. 

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