Jelena Dabic liest Echos von Marcus Pöttler
Es ist eine schöne Vorstellung, dass sich ein Du im Ich spiegelt, wenn Liebe, Freundschaft oder überhaupt eine Gemeinsamkeit zwischen zwei Menschen besteht. Und es kann schön sein, für dieses Ineinanderaufgehen von zwei Menschen, zumal zwei Liebenden, poetische Bilder zu finden, in der Lyrik wie in der Prosa, in der bildenden Kunst, in der Musik wie im Film. Marcus Pöttler versucht in seinem neuen Band, dies auf eine zeitgemäße wie komplexe Art zu tun, bleibt aber leider in einem sehr eng gesteckten thematischen Rahmen gefangen.
Es steht außer Frage, dass schöne und intensive Momente der romantischen bzw. erotischen Liebe unsere größten Sehnsüchte widerspiegeln, dass wir diese Erfüllung gleichermaßen im eigenen Erleben wie in der Literatur suchen. Und dass sie sich – wenn sie nur selten und kostbar genug bleiben – uns für immer einprägen und gerne immer wieder in Erinnerung gerufen werden. Was ist, oder was wäre vielmehr, wenn ein Roman, ein Film oder ein Leben ausschließlich aus solchen Szenen bestehen würde? Die vorliegenden Gedichte sind von solch kritisch-skeptischen Überlegungen weit entfernt.
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Genau genommen handelt es sich gar nicht um Echos, sondern um den stets selbstzentrierten Blick eines unendlich verliebten lyrischen Ichs auf ein Du und noch mehr auf ein felsenfestes Wir. Der andere, also die Geliebte, Freundin, Gefährtin, kommt ihrerseits kaum zu Wort, ihr Status als unhinterfragbares Liebesobjekt würde das auch gar nicht zulassen. An den Gedichten selbst und ihrer Bauweise liegt es aber nicht, dass die Lektüre zeitweise ermüdend wirkt. Pöttler, unter anderem mit dem Feldkircher Lyrikpreis (2009) und dem Literaturstipendium des Landes Steiermark (2010) ausgezeichnet, beherrscht das lyrische Handwerk und wusste mit seinen metaphernreichen, begriffsgesättigten Texten immer schon zu überzeugen. Formal setzt er auf Alliteration und manchmal auch auf Wortschöpfungen, was im Kombination mit verschiedenartigen Metaphern und Bildern ausgesucht schöne, einzigartige Gedichte hervorbringt:
Wünsche, schweifend Endlich verrät die Nacht sich uns, gesteht ihre Schwäche, eingeschlossen in wärmende Umarmungen, von den Geminiden überkopfumregnet Wir verlieren die hochgeworfenen Wörter Schnell aus dem Blick, nur kurz leihen wir ihnen eine Stimme, ein Nachglühen unserer Träume, bevor sie wie Scherben zerrissener Spiegel mit einem Aufblitzen verwehen Wir haben Wünsche eingeschlossen in Staubwolken, die Sonne umkreisend
An diesem Text erkennt man unter anderem Pöttlers Vorliebe für Begriffe aus der Astronomie, die sich durch den ganzen Band ziehen. Immer wieder scheinen also „Planeten“, „Kosmos“, „Universum“, aber auch „extrasolare Steinsplitter“ oder Sternbilder wie „Pegasus“ als Metaphernträger auf und fügen sich sehr gut in die Szenerien, Landschaften oder Gedankenwelten des jeweiligen Gedichts ein. Zudem beweist Pöttler, der übrigens ein technisches Studium abgeschlossen hat, einen geschickten Umgang mit Begriffen aus der Naturwissenschaft und Informatik: „Laterna magica“, „streulichternd“, „Matrix“, „Glitches“, „Full HD“ sind in der richtigen Dosierung in die Texte eingestreut und lassen sie sehr zeitgemäß und im Hier und Jetzt angesiedelt erscheinen. Etwas seltener sind es Begriffe aus der Mythologie, die das Metaphernrepertoire ergänzen: „Minotaurus“, „Luna“ oder „Aurora“.
Angesiedelt sind manche der Texte in bestimmten Landschaften im Jahreskreis, andere wiederum in Innenräumen („Abendprogramm“). Öfter dienen Momentaufnahmen von Natur und Jahreszeiten ebenso wie Stimmungen bestimmter Tageszeiten als Hintergrund des Zueinanderstehens der beiden Protagonisten, der Liebenden.
das Imitieren einer Tarnung an handgezeichneten Karten zu geheimen Verstecken haftet ein zartes Herzklopfen, am Berührungspunkt, an dem wir einander erkennen, am verhaltenen Flüstern, mit dem wir uns verschwören und Unstetes tauschen die Wintertage zu zweit, nach Seife riechend und Bienenwachs, den Sprüngen an der Decke folgend, den Simulationen von Wind und Schnee, einander Rastplatz sein, verborgen vor der Welt
Bei aller Unterschiedlichkeit in Textlänge, Metaphernursprung oder Begriffsfeld, umkreisen alle 93 Gedichte des Bandes ein- und dasselbe Motiv: Sie geben Szenen einer Liebesbeziehung, meist zärtliche Momente eines Paares wieder, ob sie nun mit bestimmten Wissensgebieten, Orten oder Reflexionen assoziiert sind, in Innenräumen, in der Natur, im Kosmos, im Sommer oder im Herbst angesiedelt sind. Damit sind die thematischen Grenzen des Buches – bei aller Metaphernvielfalt – recht eng gesteckt und tun auf lange Sicht der Lektüre nicht gut. Ebenso die ständige Beschwörung eines „wir“ und eines „du“, sowie die unerschütterlichen Übereinstimmung der beiden Liebenden, die sich im viel strapazierten Begriffs der zwei Hälften ausdrückt. Es wirkt schon recht befremdlich, wenn in beinahe hundert Gedichten offenbar ein und dasselbe Liebesglück, ein und dasselbe Liebespaar, das nicht und nicht aus der ersten Verliebtheit herausfinden kann, besungen wird. Möglicherweise liegt das aber eher an einer ungünstigen Entscheidung des Verlags. Untere andere Gedichte gemischt, mit verschiedenen thematischen Schwerpunkten, würden die an sich immer sehr ansprechenden Texte womöglich viel besser ihre Wirkung entfalten.
Marcus Pöttler: Echos. Gedichte. Limbus, Innsbruck 2021. 93 Seiten. Euro 15,-