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Echolalie

Echolalie

Jamila Medina Ríos

Echolalie
 
Du bleibst auf der anderen Seite der Scheibe
und ich verabschiede mich, erinnere mich an einen Vogel im Sturzflug gegen das Seitenfenster
die Beschreibung eines Vogels:
die flatternden Flügel
                                  im Schneefall
                                                         gegen die Glasfront.
 
Du bleibst auf der anderen Seite der Scheibe
meine Vogelhand im Sturzflug gegen das Seitenfenster
flattert
            nervös.
 
Du bleibst auf der anderen Seite der Scheibe
meine Vogelhand flattert im Sturzflug zum Seitenfenster.
Ich gehe nochmals die Beschreibung eines Vogels durch:
mitten in der Nacht
                               im Schneefall
  gegen die Glasfront.
 
Du bleibst auf der anderen Seite
beim Seitenfenster
meine Vogelhand schnappt nach Luft.
Ich gehe nochmals die Beschreibung eines Geräusches durch:
                      in der Nacht
im Schneefall
                      gegen die Scheibe. 
 
Ich suche nach einem Wort das Gehen und Bleiben bedeutet
das zwischen zwei Rissen schwankt
(zickzack hin und her heißkalt
                                                                    beidhändig süßsauer Pyrenäen
Hermaphrodit Helldunkel Androgyn
                                                                                lebendigtot)
Wie denn nicht ein gespaltenes Wort finden.
Ich stell mir vor ganz zahm zu fallen:
Schoß, eine Haut wie laue Milch unter den Händen
und die innere Ruhe
jede Form am Morgen wiederzuerkennen …
 
Es ist spät
(wie wissen, ob es Tag oder Nacht wird):
sein Körper hat dort eine Postkarte gezeichnet zwischen die Gleise 
das Flattern meines Körpers gegen die Glasfront, ohne Echo,
entzieht sich jedem Verständnis.

Übersetzung aus dem kubanischen Spanisch: Udo Kawasser


Ecolalia
 
Quedas al otro lado del cristal
y me despido recordando un pájaro en picada contra la ventanilla
la descripción de un pájaro:
las alas golpeando 
                          en la nevada 
contra el ventanal. 
 
Quedas al otro lado del cristal
mi mano-pájaro en picada contra la ventanilla
aletea
             nerviosamente.
 
Quedas al otro lado del cristal
mi mano-pájaro aletea en picada hacia la ventanilla.
Repaso la descripción de un pájaro:
en plena noche
                       en la nevada
  contra el ventanal. 
 
Quedas al otro lado
junto a la ventanilla
mi mano-pájaro boquea;
repaso la descripción de un ruido:
                   en la noche
en la nevada
                   contra el cristal.
 
Busco una palabra que signifique irse y quedarse
vacilar entre dos desgarraduras
(zig-zag vaivén escalofrío 
                                                              ambidiestro agridulce Pirineos 
hermafrodita claroscuro andrógino 
                                                                           moriviví).
Cómo no hallar un nombre fracturado.
Imagino quedarme caer con mansedumbre:
regazo, piel como leche tibia bajo las manos
y la paz
de reconocer cada forma en las mañanas…
 
Es tarde
(cómo saber si clarea o anochece):
su cuerpo ha dibujado una postal allá al fondo entre los rieles;
el aleteo de mi cuerpo contra el ventanal, sin eco 
escapa a toda comprensión.

Jamila Medina Ríos (Holguin in Kuba, 1981) ist eine der bedeutendsten Autorinnen der Generation 0 (generación cero), also jener Dichter und Dichterinnen, die in Kuba um 2000 zu publizieren anfingen und die als von der Revolution desillusionierte Generation neue Wege in der kubanischen Literatur zu beschreiten begannen. Sie schreibt Lyrik, Prosa, Essay und arbeitet als Redakteurin für das kubazentrierte Onlinemagazin Rialta in Mexiko. Mit ihrem ersten Gedichtband Huecos de araña/Spinnenlöcher gewann sie 2009 den Premio David (vergleichbar dem deutschen Leonce-und-Lena-Preis) und mit einer Essaysammlung über den kubanischen Dichter Calvert Cassey den hoch angesehenen Premio Carpentier 2012. Sie publizierte mehrer Gedicht- und Prosabände und auch verschiedene Anthologien der Generation 0. Derzeit macht sie ein Doktorat an der Brown University in Rhode Island (USA).

Das Gedicht „Echolalie/Ecolalía“ der kubanischen Autorin Jamila Medina Ríos in der Übersetzung von Udo Kawasser erschien im Rahmen eines Karibik-Schwerpunkts der 13. Nummer der lesenswerten lateinamerikanischen Literaturzeitschrift alba im August 2021. Das Gedicht entstammt ihrem ersten Gedichtband Huecos de araña/ Spinnenlöcher.

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