Andreas Pavlic liest im darknet sind alle katzen miau von Jopa Jotakin
Zwei entgegengesetzte Gedanken (kunstvoll) zu verbinden ist eine Meisterschaft. Der Schriftsteller Jopa Jotakin übt sich darin mit Bravour. In seinem Gedichtband „im darknet sind alle katzen miau” verwebt er zwei so unterschiedliche Welten wie jene der Katzen und Kater mit jener der digitalen und computerisierten. Falsch gedacht, wer nun glaubt, hier werden die allseits beliebten Katzenvideos, die Niedlichkeitsstars auf den Videoplattformen oder ähnlicher Krempel, in artgerechter lyrischer Form behandelt. Nein. Hier geht es um mehr, das alltägliche menschliche Glück und Scheitern im Kontakt mit diesen beiden Sphären. Es geht um die Reflexion der menschlichen Unzulänglichkeiten im Spiegel von Natur und Technik. So könnte man es sagen. Oder wie es einleitend geschrieben steht: „dieses buch ist für die katz.”
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Deutlich wird das Vorhaben mit dem richtungsweisenden, grandiosen Eröffnungsgedicht.
die welt ist ein fellball im katzenmagenweltall bezoares schweben begründet alles leben doch schon bald würgt katz den ball heraus dann ist alles online
Die Grafik am Ende des Gedichts könnte einem Lehrbuch für Katzenanatomie entnommen sein. Zu sehen ist die Silhouette einer Katze inklusive Skelett und einem handgezeichneten Fellball im Katzenmagen, sowie die mit Pfeilen markierte Würgerichtgung. Root directory, so der Titel des Gedichts.
Das Buch, das 2020 in der edition zzoo erschien, ist in sechs sitemaps strukturiert: Hello World, Parity Boot, gismo, Loveletter, WannaCry und MyDoom. In der Buchmitte befindet sich eine Fotoserie mit doppelbelichteten Bildern des Katers gismo. Die Aufnahmen wirken wie ein Filmstill aus einer Szene, in der geisterhaft jeweils ein Kater hervorschimmert und in Erscheinung tritt. Die Bilder machen jene alltägliche Präsenz, die einer Hauskatze eigen ist, so unscheinbar sie sich auch geben mag, sichtbar. Denn schlussendlich ist sie hier zuhause.
Von Heartweareffekten und Katerstimmungen
Jopa Jotakin spielt seine inhaltliche Themenstellung auf formal unterschiedliche Weise konsequent durch. Es finden sich Gedichte in Reimform, kurz und pointiert, schräge Wort- und Textbilder, lang gezogene rhythmische Kaskaden, visuelle Poesie, Grafiken, Fotos und Collagierungen. Gegen Buchende finden sich die zwei Langgedichte „Sommerloch” und „wenn mir alles zu viel wird, schalte ich in den sleep mode, aber leider muss ich davor die festplatte defragmentieren”. Sie sind expressiv, katharsisch, verspielt und gekonnt mit dem Wundertüteneffekt versehen. Man weiß nie, was eine:n in der nächsten Strophe erwartet und lässt sich überraschen. Das Buch ist im besten Sinne viel. Mit berührenden EDV Analogien – wie im Gedicht „heartwearaffekte”:
ich liebe jeden systemabsturz den du in mir verursachst
Und von ebenfalls berührenden Einsichten gezeichnet wie in „katerstimmung V”:
ottakringer straße brennt mir im gesicht mit dem rad fahr manchmal lieber nicht
Das Schnurren an der Kratzspur
Unzweifelhaft ist, jopa jotakin kennt sowohl die digitale Welt als auch jene der Katzen und ihre Eigenheiten, die sie zu den beliebtesten Haustieren machen. Viel ist über sie schon gesagt und geschrieben worden und mehr noch findet sich auf den diversen sozialen Medien und Videoportalen. Doch der Autor verlässt diese plattgedrückten Allgemeinkatzenplätze gekonnt.
schnurrgerade samtelt sich der fellweg am wiesengrund entlang
Diese bestimmt nicht einzigartige Beobachtung mündet aber in fein gewählte Wort-Bilder, um der Schleichbewegung der schnurrenden Vierbeiner nachzuspüren.
schnurrgerade pfötelt sich der kratzweg am schürfwund entlang
Hier ist die Eigenheit und die Erfahrung, die das Zusammenleben von Mensch und Katze mit sich bringt, lyrisch verknappt sichtbar gemacht. Die Kratzspur. Gleichsam zeigt der Autor in dieser Strophe, was das Schmiermittel seiner Poesie ist: Humor.
Dank diesem können die Leser:innen vergnügt durch die Zeilen des Buchs ziehen und gleiten und zusehen, wie Jopa Jotakin sich einem eigenwilligen Unterfangen hingibt: Sich selbst – als lyrisches Ich – in Verbindung und Verstrickung mit Katze oder Computer zu setzen oder dieses Ich überhaupt in eine Katze zu verwandeln. Noch einmal auf das Gedicht schnurrgerade zurückzukommen, wird dort im Finale auf den bekannten Katzen-Befehlston zurückgegriffen – wohl mit einem Augenzwinkern:
wann genug gestreichelt ist bestimme immer noch ich
Jopa Jotakin: im darknet sind alle katzen miau. Gedichte. edition zzoo, Wien 2020. 128 Seiten. Euro 13,50