Isabella Feimer liest den Gedichtband hand.langungen von Manon Hopf
Sie hielten ihre Hand nach mir ausgestreckt, sie tasteten sich an mich heran, sie berührten mich, die Gedichte von Manon Hopf in ihrem Band „hand, legungen“, der 2021 als Raniser Debüt erschienen ist, sogleich als ich sie hörte, als ich beim diesjährigen LeseLenz-Festival, zu dem Manon Hopf mit ihrem Lyrikdebüt eingeladen war, das Glück hatte, von ihnen verzaubert zu werden,
Hand in Hand mit den Gedichten saß ich im Publikum und ließ mich fangen, von den Worten selbst und von ihrer Verfasserin, und an diesem Eindruck festhaltend las ich die Gedichte ein wenig später,
sie begleiteten mich Wochen, nicht loslassen wollte ich das Zarte und gleichzeitig Konkrete, das sie mir dargelegt hatten, und in der Lektüre fand ich mich erneut und intensiver noch berührt:
von der Kraft in den Details, durch die Beschaffenheit der Gedichte, die in wenigen, sorgfältig ausgewählten Worten viel zu erzählen hat, viele Räume öffnet, und nochmal mehr in einem selbst,
ja, man stelle sich eine Hand vor, die sich nach einem öffnet und eine lockende Einladung ausspricht, mit ihr zu gehen, komm, flüstert die Hand, komm, fordert sie, sobald man zögert,
und man ergreift die Hand, wird in bekannt Unbekanntes begleitet, in Einsichten, Weitblicke, in Erstaunliches,
© Isabella Feimer
ich lege etwas das schatten wirft ich habe eine hand und der schatten eine zweite
ein Staunen regt sich in einem,
darüber, wie die Worte ineinandergreifen, wie ein Körper sogleich spürbar wird, wie man diese Hand spürt, so exakt sind Hopfs Beobachtungen, was eine Hand tut und tun kann und sein kann,
ich lege etwas hier hin vielleicht wandert das licht legt sich schlafen die augen gedrückt ins Bild
so exakt komponiert, dass man das Gedicht in Variationen lesen kann und im Wiederlesen mehren sich die möglichen Deutungen,
ja, wortausstellend wie sie sind, laden die Gedichte zum wiederholten Lesen ein, zum Annähern an das, was sie offenbaren können, wenn man sich den kleinen Gesten stellt, ihren Möglichkeiten, dass sie nach den großen Dingen greifen, den Angreifbaren, Licht und Schatten, und nach einer Welt des Machbaren und Fantastischen,
ich stelle auch die zeit ein lege mich zwischen zeitlich selbst ins gras
in den Gedichten, flüchtig nur kann man es greifen, denn nie ist etwas getan, selbst wenn die Hand es bereits verrichtet hat,
die Hand fragt in Manon Hopfs Gedichten nach der Substanz des Eigenen, sucht im selben Wort nach dem Versteckten, das das Offensichtliche, das offen Sichtbare, stets begleitet, in Manteltaschen wird gesucht oder im Rückwärts oder auch in den Fingerkuppen, und die Suche, das „kuppenbekenntnis“, verlangt es, Wünsche zu formulieren und sie mit dem Körper eins werden zu lassen, mehr noch, Zeit und Raum und das Eigene in Verbindung zu setzen,
ich wünsche ein wort das seine Bedeutung entfaltet in der geste sich zeit nimmt am körper
Zeit und Raum und Eigenes verdichtet,
und die Hand greift weiter, greift schreibend und scheut sich nicht davor, sich die Haut dabei aufzurauen,
meine hand schreibt nicht nur über sich selbst sondern möchte immer auch über die hände der anderen schreiben über andere handschaften
Hopfs Handschaften sind gleichsam ihr anatomischer Blick auf alles, was den Händen möglich ist zu finden, das andere, die anderen, das Greifen und Begreifen eines Gegenübers, das Welt ist, im Kleinen, wie im Unfassbaren, es sind Begegnungen, und vor manchen schreckt die Hand zurück,
Hände, assoziiere ich, handeln, handlangen, langen über Grenzen hinaus, sie tasten, sinnen, können zärtlich sein, dann wieder forsch, gewaltsam, selbstverstümmelnd, Sinnesorgan sind sie und können verändernd auf das Gegenüber wirken,
das Gegenüber nimmt Manon Hopf auch ins Wort,
manchmal ist das Gegenüber Sprache, die Hand, die nach der Sprache greift, sich mit ihr verbindet,
meine hand erzählt auch von den dingen die sie nicht betreffen meine hände sind da und alles was sie nicht berühren ist: hier nicht
das Handnarrativ, das auch am Gegenüber scheitern kann, das dabei nach dem Absurden fasst,
dann ein Du, das sich in die Gedichte gräbt, das sich von Anfang an in ihnen abgezeichnet hat, zunächst als Ahnung, als etwas, das zu weit weg ist, um sich an ihm festzuhalten und abzurackern, dann das Du, ein neuer, doch vertrauter Körper in die Luft gemalt, der in „Handarbeit“ betrachtet wird, an den sich Hopf herantastet, den sie, wenn Hand und Sprache eins geworden sind, befühlt,
und deinen körper freischreiben mit der hand den körper erlösen aus worten
Du, die Welt, das Ganze, Gewalt und Liebe finden sich in Freiheit wieder, und diese Freiheit in dem, was die Hand sagen kann, berührt mich, das Konkrete in den Gedichten, das Angedeutete, das Eigene, das Hopfs Worte erlösend in einem sprechen, die Übersetzung der Geste in Sprache, die Übersetzung der Sprache in ein Gefühl, das lange in einem verweilen darf,
ein schöner Kosmos in den „hand, legungen“, nicht immer greifbar, aber immer – immer spürbar – da,
ich erkunde mich mit meinen händen es gibt orte an die ich mit ihnen nicht komme auch wenn du mir die haut umdrehst
immer spürbar,
und erneut lese ich die Zeilen Manon Hopfs, Hand in Hand erneut, und erneut verzaubert lasse ich sie – „hold the thought“ – für einen Handschlag und in Vorfreude auf weitere Gedichte und poetische Berührungen Hopfs wieder los.
Manon Hopf, *1990, aufgewachsen in Isny im Allgäu, lebt und arbeitet in Mannheim. Literaturstudium in Mainz, Masterstudium in Frankfurt am Main. M.A. Literarisches Übersetzen aus dem Französischen an der LMU München.
Manon Hopf: hand, legungen. Lese-Zeichen, Reihe: Raniser Debüt Bd.7, 2021, 90 Seiten, Euro 10,20
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