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Elemente in Beziehung

Elemente in Beziehung

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Alexander Peer liest Sabine Pelzmanns Wenn der blauen Feder Wurzeln wachsen


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Der Titel von Sabine Pelzmanns aktuellem Gedichtband „Wenn der blauen Feder Wurzeln wachsen“ betont die Beziehung von Himmel und Erde. Die Gedichte greifen die Wechselwirkungen, die die Elemente aufeinander ausüben, variierend auf und zeigen deren Verbundenheit bei scheinbar noch so großer Distanz, als wären Himmel und Erde ein seit alters vertrautes und zuweilen zankendes Paar.

Cover © Keiper Verlag

Manchmal wagt die Autorin die ironische Überhöhung, wenn sie schreibt „der Weg zum Himmel / geht nicht mit Stöckelschuhen“. Doch meist verstehen sich diese Gedichte als bedeutungsvolle Botschaften. Dabei zeigt das zitierte Bild, wie klug und vergnüglich zugleich sich die Wesenheiten in Kontrast setzen lassen. Zwar erhebt der Stöckelschuh, doch um den Himmel wirklich zu erreichen, braucht es verlässlicheres Schuhwerk.

Auch auf eine ätherische Tierkunde stößt man. So fächert das Gedicht „Der lila Puma“ ein animalisches Trio auf, das vom Boden in die Lüfte Lebensräume besetzt:

Der chinesische Drache 
flirtet mit dem Himmel. 
Der lila Puma 
liebt das Jagen 
macht sich zum Sprung bereit 
jeder seiner Muskeln 
streckt sich. 
Das Schwein schnüffelt 
mit seinem Rüssel in die Erde. 

So bleiben sie doch ein Liebespaar – 
Himmel und Erde.

Fauna und Flora sind wiederkehrende Bezugsfelder. Sie dienen oft als Spiegel der Persönlichkeitsentwicklung und visieren meist klare Botschaften an. In dem Gedicht „Die richtige Wahl“ kommt dies so zum Ausdruck:

Dem Fließen in mir 
seinen Lauf lassen
bis Entscheidungen
vor mir stehen

wie die Blattachsel
einer Pflanze beim Wachsen
als Möglichkeit
für Seitentriebe
oder
Blüten 

Das Motiv der Wandlung

Das Wort fließen ist omnipräsent in diesem Band. Als müssten die Gedichte versichern, dass nichts, nicht einmal der massivste Edelstein, unverändert bleibt. Vielleicht hätte man das eine oder andere Fließen in Frage stellen können, allein damit die Wortvielfalt im Fluss bleibt und sich das Motiv nicht doch einmal erschöpft oder an einem Felsen im Flussbett hängen bleibt.
Viele Gedichte sind mythologisch unterlegt. Dazu dienen auch Figuren vornehmlich der keltischen Mythologie wie beispielsweise die Flussfrau, der rote Ritter, die weiße Krähe oder die blaue Reiterin. Die Figuren sind selbst Repräsentanten der Verwandlung. Es überrascht kaum, dass die Autorin als Coach für Unternehmen im Wandel tätig ist. Mehrfach verorten sich die Texte im nordwestlichen England, im Lake District National Park, wo etwa Castlerigg oder Coniston Water zu finden sind. Diese Region hat sich das mythologische Erbe in seiner landschaftlichen Unberührtheit bewahrt.

Vieles in dem Band greift diese Stoßrichtung auf. „Zwischen den noch verpackten Geschenken der Vergangenheit“ heißt es einmal. Dieses Motiv der Wandlung – das nicht Abgeschlossene des Vergangenen – bekommt hier eine wohltuend positive Besetzung und bekundet nicht nur eine offene Haltung gegenüber dem Zukünftigen, sondern auch gegenüber dem Geschehenen.

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Lyrik als säkulares Gebet

Das Anliegen dieser Texte ist löblich, dennoch finden sich allzu häufig vertraute Bilder, die diesen Aufruf zum Verwandeln oder zum Wiederentdecken des Eigenen leisten. Unverbrauchte Wörter und Bilder sind spärlich gesät. So entsteht eine Gesinnungslyrik, die zwar gedanklich stimuliert, aber emotional kaum unvorhersehbare Impulse zu setzen vermag. Manche der Gedichte erinnern an Stammbucheinträge. Der Wunsch ist deutlich, das Archaische zu bewahren und in der Form des Gedichts ein säkulares Gebet zu sehen – gerichtet an die Natur selbst und als Mantra zu verstehen, das die Öffnung zur Umwelt nährt. Das Lobpreisen der Natur ist eine Form des nature writing, die dem modernen Menschen Farn und Feder zusteckt, damit er sich um eine Identität kümmern möge, die mehr Wurzelkraft verspricht: Die Widerstandsfähigkeit der Natur ist dabei von zentralem Wert.

Die offensichtlichen Anliegen dieser Texte sprechen nicht gegen den Band, sie kategorisieren die Sammlung vielmehr. Nicht immer muss ein Gedicht intellektuelle Purzelbäume schlagen, den Gedichten von Sabine Pelzmann wünscht man sich allerdings mehr Beinfreiheit. Immer wieder wird das Urvertrauen beschworen. Letztlich sind diese Gedichte vielfach selbst Formeln archaischer Selbstversicherung, sie behaupten den Wandel mehr, als dass sie ihn in der Sprache gestalten.

Manchmal blitzt dann doch ein überraschender Perspektivwechsel auf, auch wenn der in der Buchstabenbeschwörung bereits gänzlich abgeschöpfte „Wörthersee“ etwas schmerzt, etwa in „Tropfenwörter (Velden)“:

Der Juni regnet zwischen den Sonnen
der Wörthersee funkelt Buchstaben
ob die Tropfen von oben in den See fallen
oder 
Wassertropfen von der Wasseroberfläche
nach oben pochen
wer vermag das zu unterscheiden

Dort, wo die Beobachtung der Natur sich löst von dem vorauseilenden Gebot, dass die Natur Mutter sein müsse, bekräftigen die Texte eine neugierige Sicht auf die Dinge. Ein wenig mehr davon hätte dem Band gutgetan. Das Buch ist zudem schmal, außerdem finden sich am Ende sieben Gedichte, die bereits im Vorgängerband „Sprossranken“ erschienen sind. Es wirkt so, als hätte der Band noch etwas Fülle erhalten müssen.


Sabine Pelzmann: Wenn der blauen Feder Wurzeln wachsen. Edition Keiper, Graz, 2022. 78 Seiten, 17,– Euro.

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