E.A. Richter
ZEHN KLEINE MÄDCHEN in Wien zehn kleinen Mädchen, zehn kleinen Männchen, die Walzer tanzten, unentwegt, auch während Covid- zeiten, ohne dass sie das wussten. Zehn kleine Mädchen, zehn kleine Männchen tanzend im Ballsaal mit 1000 Fenstern, irgendwo in der Hofburg, im Keller des Weltmuseums, dachten unentwegt an Küsse, Schmusereien während des Tanzens, während sie sich sicher glaubten, unangesteckt, in einer anderen Zeit, leichtsinnig zurückversetzt, während sich das Urmeer teilte, sie aber – egal ob unten oder oben – trocken blieben, ihre Lippen aufgesprungen und ungeküsst, ihre Münder voller zurückgehaltenem Speichel, der Gesundheit wegen, des Gleichgewichts, der vielleicht gemeinsamen Zukunft. Nur darum gings: im Rhythmus zu bleiben, im Eiltempo Annäherung und Distanz, im Gedanken der kreatürliche Zusammenprall, in Wahrheit Lockung aus der Ferne, Versprechen und unhörbarer Disput, der doppelten Ausbruch verhindert, letztes restloses Vergessen
Dieses Gedicht stammt aus dem Gedichtbandprojekt „TÄGLICH PROD“.