Die POESIEGALERIE stellt ihren Autor*innen Fragen zum Schreiben
Heute die Antworten von Sabine Gruber
1. Schreibst du regelmäßig? Zu welchen Zeiten und an welchen Orten schreibst du?
Ich schreibe täglich, Unterschiedliches: Notizen, Aufzeichnungen für den neuen Roman, Gedichtentwürfe – ich kann überall arbeiten, wenn es ruhig ist, habe auch keine regelmäßigen Zeiten. Ich richte mich nach meinem Körper. Als Transplantierte mit nur noch geringer Nierenfunktion bin ich oft sehr müde, daher kann ich am besten arbeiten, wenn ich ausgeruht bin.
2. Ist Schreiben für dich eher Handwerk oder Inspiration? Wie passen diese beiden Pole zusammen?
Schreiben ist beides: Handwerk und Inspiration. Das eine kann in der Literatur nicht ohne das andere. Formbewusstsein ohne Ideen oder umgekehrt gute Einfälle ohne formale Konzepte – was soll daraus entstehen?
3. Wo findest du deine Themen? Eher in deinem Leben und unterwegs oder in Büchern und Medien?
Ich lese viel, außerdem recherchiere ich zu Themen, die mich interessieren; meist interessieren sie mich, weil sie mich etwas angehen, mich oder mein näheres Umfeld betreffen. Ich muss zum Persönlichen Distanz herstellen, sonst funktioniert das Schreiben nicht, das geht nur durch Zeit oder durch penible Recherche, die mich von meiner „Voreingenommenheit“ wegführt. Umgekehrt muss ich das Fremde einverleiben; in dem Roman „Über Nacht“ (2007) führe ich das näher aus, als eine Form des literarischen Transplantationsprozesses.
4. Welche Bedingungen muss ein gelungenes Gedicht für dich erfüllen? Oder: Wann bist du sicher, dass ein Gedicht fertig ist?
Es ist die Form, die für das Gedicht gewählte Sprache – ohne konkrete Beispiele lässt sich diese Frage nicht beantworten. Jedes Gedicht hat andere Gesetze, geht von einer anderen formalästhetischen Frage aus.
5. Trifft auf dich das Diktum zu, dass Dichter*innen Seismographen ihrer Zeit sind – und wenn ja, inwiefern? Anders gefragt: Siehst du für dich als Dichterin eine Aufgabe in Bezug auf das gesellschaftliche Ganze?
Ich denke nicht an meine Leserinnen und Leser, wenn ich schreibe, nicht an zu erfüllende Aufgaben. Es versteht sich von selbst, dass ich als politisch denkende, die Gesellschaft und deren Verwerfungen beobachtende Dichterin/Schriftstellerin vieles wahrnehme oder reflektiere, was andere, die nicht genau hinschauen, vielleicht verdrängen oder übersehen.
6. Kannst du mit dem Satz „Dichten ist ein brotloser Beruf“ etwas anfangen? Oder besteht in deinem Leben eine Spannung zwischen Schreiben und Einkommen?
Mit Gedichten ist schwer Geld zu verdienen, etwas leichter ist es mit Romanen. Ich bin glücklich, den Beruf der Dichterin / der Schriftstellerin ausüben zu können, es ist ein bescheidenes, aber selbstbestimmtes Leben. Manchmal hätte ich mir gewünscht, weniger Nebenjobs ausüben zu müssen, andererseits waren die literaturfernen Arbeiten eine Art von Erdung, von Rückbindung.
7. Welche Autorinnen und Autoren, welche Gedichte haben dich geprägt, fürs Schreiben sowie fürs Leben?
Ich lese jeden Tag Lyrik, deswegen ist es schwer, einzelne Namen zu nennen. Aber das allererste Buch, das ich mir von meinem Taschengeld als 12-Jährige gekauft habe, waren die Svendborger Gedichte von Bertolt Brecht in einer Bibliothek-Suhrkamp-Ausgabe, weil mich die „Fragen eines lesenden Arbeiters“ als Kind nachhaltig beeindruckt hatten. Bald darauf stieß ich dann auf die russische Literatur, auf die Gedichte der Marina Zwetajewa und Anna Achmatowa, sehr früh las ich auch Cesare Pavese, Giuseppe Ungaretti u.a. Meinem neuen Roman ist als Motto ein Gedicht von Patrizia Cavalli vorangestellt, die im letzten Jahr verstorben ist. Ihre Lyrik ist sehr körperbetont, man findet in ihren Gedichten alle Facetten der Liebe. Cavalli hat – was ich besonders mag – einen Hang zu Paradoxa; damit lässt sich die Absurdität unseres Lebens sehr gut beschreiben.
8. Woran schreibst du gerade bzw. woran hast du zuletzt geschrieben?
Ich habe gerade einen Roman abgeschlossen. „Die Dauer der Liebe“ erscheint im Juli 2023 bei C.H.Beck. Zur Zeit schreibe ich an Anthologie-Beiträgen, an mehreren Gedichten, und ich habe mit den Recherchen zu einem neuen Roman begonnen.