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Kröten, (gspusis) , Tage

Kröten, (gspusis) , Tage

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Stefan Schmitzer liest Katharina Ferners Krötentage


cover ferner krötentage

Katharina J. Ferners Buch „krötentage“ versammelt in drei Kapiteln kurze Erzählvignetten in Gedichtform, denen gemeinsam ist, dass sie die Liebe in verschiedenen Bedeutungen des Wortes zum Gegenstand haben – und zwar hauptsächlich die handgreifliche, körperliche – und dass sie dabei großteils den Bildervorrat aufrufen, den die Tierwelt bereitstellt – und zwar hauptsächlich diejenige Tierwelt, die wir mit Unterholz, Fremdheit und Feuchtigkeit assoziieren.

Cover © Limbus Lyrik

Es gibt hier schon auch die ganz un-tierischen Gedichte (in denen kommen dann auffallenderweise zugleich auch oft Sternbilder, Sterne u. Ä. vor):

*
küchengeräusche können ein zuhause anbieten
die krachende geschirrspülmaschine
ein sternbild lacht aus der tiefkühltruhe
du trinkst schwarztee mit milch
und ich mit kandiszucker

–, aber es überwiegen die tierisch-irdischen-chthonischen, die sich oft als filmhafte Beschreibung von Verwandlungszauber lesen lassen:

*
schlangen hast du besonders gern
ob es an den häutungen liegt oder
dass du sie vorwiegend hinter glas
oder an tänzerinnen siehst
ich hingegen kenne alle
ihre liebsten stellen am seeufer
weswegen ich dort nur ungern
ins wasser gehe
einmal brachte ich dir eine
ausgediente haut
eingewickelt in butterbrotpapier
dir war zuerst nicht ganz klar
was ich da angeschleppt hatte
jetzt liegt sie gereinigt
gefalet auf deinem nachttisch
manchmal ziehst du sie dir über
und schreckst mich aus dem schlaf
wenn du mir mit den schuppenfingern
in den nacken greifst 
oder sonst wo hin

Folgerichtig finden wir zwischen den Buchdeckeln auch das eine oder andere Update zu solchen Topoi, wie wir sie noch aus dem Minnesang her kennen – es wird erwacht, geschmachtet oder zweisam hingesunken in ganz distinkten Stimmungen und narrativen Verkettungen, welche sich als Dialog der Körper mit Tieren, Pflanzen und – siehe oben, seltener – Tiefkühltruhen o. Ä. abbilden lassen. Die quantitative Auswertung, wieviele dieser Dialoge direkt und absichtsvoll auf Minnelyrik reagieren, steht aus, aber Null wird die Anzahl kaum sein.

Alltags ungeschickte Männer

So oder so wollen die Konstruktionen und Storys kaum je auf den schönen Schein der idealen Liebe hinaus, sondern viel eher auf die raue Wirklichkeit der Körper und widersprüchlichen Emotionen. Offen bleibt, ob die unterhaltsam ausgeschilderte Ungeschicklichkeit der (mutmaßlich meist männlichen) Subjekte zweiter Person Singular bei Ferner, wenn es um Alltagsbewältigung geht, schon von diesem Fokus auf normale Menschen herrührt und von den Pointen, die dieser ermöglicht bzw. nicht ermöglicht, oder ob es sich da um leidvolle Erfahrung handelt. (In letzterem Fall möchten wir der Dichterin gern zurufen: Es gibt auch Kerle, die den Geschirrspüler einräumen können!)

Als ebenfalls zu dieser demonstrativen Verbindung des Erotischen mit dem Normalen gehörig dürfen wir wohl die verschriftlichte Mundart verbuchen, in der neun der beiläufig sechzig Gedichte verfasst sind. Vier von diesen wiederum sind in einer hochdeutschen Übertragung gespiegelt, die vielleicht eher als Kommentar zu denken sein wird:

See Also

<>
de distanz vom meeresspügl mocht di schwindlat
schaust liaba mia in d'augn ois wie obi
benetzt di lippn mit kosewurtn
klana stoaschlag
a zoata dunna
gibst ma d'sporn
i foig am trompepfod
harz an die glieda
raureif auf de wongen
oipngliahn 


//
die entfernung vom meeresspiegel verursacht dir schwindel
schaust lieber mir in die augen als nach unten
benetzt die lippen mit koseworten
ein kleiner steinschlag
ein wohlgesonnener donner
gibst mir die sporen
folge der windung des trampelpfades
harz an den gliedern
raureif an den wangen
höhenfieber

Mundart und Didaktik

Der poetische Impuls daran ist plausibel didaktisch: Dies ist tatsächlich in alpinen Gegenden gesprochene Sprache, und diese ist tatsächlich in einem permanenten Austausch mit dem österreischischen Standarddeutsch; einem Austausch, bei dem real die blanken Verluste von Information häufiger sein dürften als die produktiven Missverständnisse und sonstigen Reibungen („oipngliahn“ – „höhenfieber“). Die Schwierigkeit gerade für dichterisches, also nuanciertes Sprechen besteht hier natürlich darin, dass von allen österreichischen Dialekten (neben dem generischen Kärntnerisch der Faschingssendungen im ORF) gerade diese inner-ostalpine Mundart (im Gegensatz etwa zum Wienerischen, Oststeirischen, Vorarlbergischen) völlig von kommerziellen und/oder volkstümelnden, also jedenfalls der Nuance feindlichen Anwendungen vereinnahmt scheint – von der Milka-Tender-Schokolade-Werbung bis zu Sänger Andreas Gabalier, der seinerseits die Milka-Tender-Werbung besingt.

Diese Steilvorlage nimmt Ferner in „krötentage“ an und mutet uns zu, beim Lesen jene Kontexte auszublenden und neue Assoziationen zu solchem Klang und Schriftbild zu formen. Denkbar ist in der Zusammenschau des ganzen Buchs, dass wir die modernen Liebesdiskurse und Minneembleme, um die es in dem Band geht, analog zu einer von Ferners Frauenfiguren denken, und die Verwendung von Mundart dann analog zum Tier aus dem Unterholz, das unhintergehbar in Beziehung zur jeweiligen Protagonistin tritt; etwa im Fall der multiplen Froschkönige in dem titelgebenden Text (der freilich, für sich genommen, auch noch andere Lesarten hätte):

*
krötentage
sie kriechen in scharen
verkleben alle zu-
gänge
lassen den regen über ihre
runzligweichen körper laufen
heben die pinkelbeinchen
grunzen schmatzen schlurpen
schleppen sich trägzäh
die wände hoch
wabbelweiche keheln & bäuche
sie berühren mich nicht
ich berühre
erst sie dann mich
lege probeweise die handflächen
zwischen die feuchtnassen schenkel
sie schauen wenig verwundert
kurzer kusskonflikt
krötenschieflage
voilá!

Katharina J. Ferner: krötentage. Limbus, Innsbruck/Wien, 2022. 96 Seiten. Euro 15,–

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