Alexander Peer liest Walter Bacos Podium Porträt 119
Die Reihe Podium Porträt des Literaturkreises, die einen Überblick über das lyrische Werk von Dichterinnen und Dichtern präsentiert, wirft damit ein Schlaglicht auf das lyrische Schaffen des jeweils Porträtierten.
Deshalb finden sich auch in Walter Bacos Porträt-Band Arbeiten aus verschiedenen Entstehungsphasen und unterschiedlichen Bänden. Hier sind zudem wiederholt Zitate versammelt, die das ohnedies Verdichtete eines Gedichts noch einmal reduzieren und damit den poetischen Jus konzentrieren. Wenn man so will, eine Kompilation im Sinne eines Best-of.
Cover © Podium
Ich kann mein Glück kaum fassen... denn es ist noch gar nicht hier.
Bereits auf der ersten Seite findet sich dieses Bekenntnis. Es verweist einerseits auf eine wörtlich genommene Glückssuche in den ersten versammelten Miniaturen, in welchen buchstäblich versucht wird, das „Glück“ zu erhaschen, und zweitens auf einen Gegensatz von unterlaufener Erwartung bei beständiger Suche. Vielleicht sind dies – Suche und ironische Brechung – die zwei Bojen, die einem beim Lesen helfen, einen Kurs zu bewahren und inmitten der Verweise nicht zu kentern. Denn diese Reise beinhaltet ganz unterschiedliche Ziele, es ist dies ein Porträt wie eine Collage zur poetischen Vermessung von Walter Bacos Werk.
Gewichte der Selbsterkenntnis
Zur Suche gehört organisch das lyrische Ich, das sich mit Befindlichkeiten wie mit Verortungen im größeren Ganzen abmüht. So erfährt man einiges über die Vergeblichkeit der Selbstdisziplin wie über die allzu nahen Grenzen der eigenen Sprache und somit Welt.
Ich schließe ein Stillhalteabkommen mit meinen nervösen Zuckungen Aber sie halten sich einfach nicht dran
Es gibt für die Zuckungen gleichwohl existenzialistische wie neuronale Gründe. Vielleicht hätte ein gewissenhaftes Lektorat in der dritten Zeile das wiederholte „halten“ reklamiert, da durch das Stillhalteabkommen eine phonetische Dopplung entsteht, die man leicht vermeiden hätte können. Andererseits sind Zuckungen, die sich nicht an ein Abkommen halten, ohnedies durch ihre gekonnte Schelmerei entschuldigt.
Die Lust an der grotesken Selbsterkenntnis birgt Befreiendes in sich. Darin liegt ein kleiner anarchischer Übermut, der einigen Sentenzen attestiert werden kann. Vor allem wenn es eingangs bei diesem Text so beginnt:
Mein Reich ist ganz von dieser Welt Sehr klein und Tag für Tag zerfällt es weiter...
Im Zerfallen dieses Reiches entsteht eine Lücke, in welche dieses Poetisieren vordringt. Es ist eine ernste, aber an einigen Stellen auch leichte Schwermut. Am einprägsamsten zeigt sich dies in diesem Befund:
2 Gramm Freude 10 Kilo Belanglosigkeit Tonnen Schwere ein harter Kuchen diese Welt
Das Rezept ist keine seitenlange Analyse, sondern eine rasch erblickte Kochanweisung. Der tough cookie ist geschmackvoll. Walter Baco hat einst den Österreich-„Leichtpunkt“ u.a. bei der Buchmesse Leipzig initiiert. Dieses um Leichtigkeit sich kümmernde Bedeutsame zeichnet die Arbeiten bei all ihrer Verschiedenheit aus. Dabei deutet bereits der Untertitel seines Debüts von 1990 „System Success – Anleitung zum Untergang“ auf einen durchaus nihilistischen Fokus hin. Es sind Satiren, und der satirische Zugang ist auch bei einigen Arbeiten in diesem Band offenbar.
Am Friedhof der verlorenen Flügel Kunden kauften auch: Treibstoff, Religionen, Versicherungen Fallschirme Raketentriebwerke, Geduld Tiefe Stille freier Fall Watte Frieden Ewigkeit Kompass Schnaps Gebrauchsanweisung Montageanleitung Simultanübersetzung
Soll der Bauchladen, den manche Websites anbieten und worauf die zweite Zeile unmissverständlich anspielt, uns zum Widerstand aufrufen? Der digitale Konsument soll einem chronischen Kaufen unterworfen werden. Bei soviel materieller Unruhe wird das Fliegen verunmöglicht. Bestattet sind die Flügel und mit ihnen die Träume. Doch diese Poesie ist wie jede eine Notwehr gegen diese Vereinnahmung. Auf Seite 35 lautet die animierende Einsicht:
Wenn das Außen schlafen geht wache ich nach innen auf
Lyrik-Reihe mit enzyklopädischer Absicht
In dieser Kürze liegen die stärksten Passagen dieser Dichtung. Walter Baco blickt auf eine bunte Vita, die Komponistentätigkeit genauso beinhaltet wie die künstlerische Leitung des 1993 von ihm mitgegründeten Carousel Theaters oder die Geschäftsführung des Albatros Verlags. Hörbücher erweitern das literarische Portefeuille, zu dem Prosa wie Lyrik zählt.
Es ist ein besonderes Verdienst des Literaturkreises Podium, das lyrische Schaffen Österreichs dank der Porträt-Reihe sichtbar zu machen und diesem durch den Reihencharakter Dauer zu verleihen, es greifbar zu machen. Mit Doris Mühringer begann es 2000. Mittlerweile sind mehr als 120 Porträts erschienen, die einerseits Texte und Positionen vor dem Vergessen bewahren sowie andererseits Autorinnen und Autoren präsentieren, deren lyrische Seite manchmal – wenn nicht sogar stets – im Schatten ihrer Romane und Erzählungen steht.
Walter Baco. Podium Porträt 119. Podium, Wien, 2022. 64 Seiten. Euro 6,00