Vier Autor*innen diskutieren zur Eröffnung der POESIEGALERIE 2023
Deep-Learning-Sprachmodelle auf Basis künstlicher neuronaler Netze sind seit den spektakulären Ergebnissen des Chatbots ChatGPT, der vom KI-Unternehmen OpenAI Ende 2022 als limitierte Version von GPT-3 (Generative Pretrained Transformer 3) für die Öffentlichkeit freigegeben wurde, in aller Munde. Mit wenigen Eingabeaufforderungen (Prompts) zaubert die sogenannte „künstliche Intelligenz“ in Sekundenschnelle Texte auf den Bildschirm, die besonders im Bereich formalisierter Gebrauchstexte erstaunlich kohäsiv sind. Zumal von einer rasanten technischen Weiterentwicklung auszugehen ist, wirft dies auch für das kreative Schreiben, die Dichtkunst, den Literaturbetrieb und den Buchmarkt eine Reihe von Fragen auf:
Ästhetik: Gibt es einen künstlerischen Mehrwert?
Führen die Versuche, mit KI Poesie zu generieren, lediglich zu Imitaten menschlicher Werke oder gibt es über das bloße Spiegelbild hinaus einen ästhetischen Eigenwert? Besteht „KI-eigene“ Stilistik eigentlich nur aus Unzulänglichkeiten und Fehlern (Glitches) des Programms? Ist die KI mehr als nur ein Werkzeug und Hilfsmittel etwa für Text-Sampling, Montage und Co-Writing, d. h. werden – wie es da und dort schon im Journalismus passiert – die Autor*innen irgendwann durch Maschinen ersetzt?
Recht und Ökonomie: Oder ist der Mehrwert ein rein finanzieller für die KI-Unternehmen und die Autor*innen gehen leer aus?
Ein KI-Sprachmodell ist auf ein umfangreiches Textkorpus angewiesen, mit dem es trainiert wird. Welche Konsequenzen sollten sich daraus für das Urheberrecht, den Werkschutz und die Vergütung für die menschlichen Werke, die als Korpus verwendet werden, ergeben? Vor allem in den USA gibt es inzwischen einige Klagewellen gegen KI-Anbieter, wobei sich OpenAI laut CTO Mira Murati selbst für eine verbesserte Regulierung ausspricht. Gibt es Möglichkeiten, KI-generierte Texte beispielsweise mit einem digitalen Wasserzeichen zu versehen, um sie von menschlicher Textproduktion zu unterscheiden? Wie steht es überhaupt um die Chancen einer KI-Regulierung, etwa mit dem EU AI Act, der seit Juni 2023 in Kraft ist?
Diese und weitere Fragen diskutieren Zuzana Husárová und Jörg Piringer, die beide seit vielen Jahren zu den weltweit führenden Vertreter*innen der Datenpoesie, IT-Poesie, elektronischen Poesie und Code Poetry zählen und sich bereits mit künstlichen neuronalen Netzen und Sprachmodellen beschäftigten, als diese noch in den Alpha-Versionen steckten, und Gerhard Ruiss, Autor (zuletzt: „Kanzlerreste. Das Kanzlerneueste. Kanzlergedichte 2018-2023“, Edition Aramo, Wien 2023) und Geschäftsführer der IG Autorinnen Autoren. In deren Zeitschrift Autor·innensolidarität 2-3/23 erschien unter dem Titel „ChatGPT & Co: Für den Stopp unregulierter Textverwurstungsmaschinen“ eine Aufforderung an die Regierung, Text-KIs zu stoppen, bis das Urheberrecht nachgebessert ist. Moderator und Diskussionsleiter ist der Autor und Herausgeber Günter Vallaster.
Der Podiumsdiskussion vorangestellt sind eine Lesung mit Projektion und Sound von Jörg Piringer aus seinem neuesten Buch „günstige intelligenz – hybride poetik und poetologie“ (Klagenfurt/Graz/Wien, Ritter Verlag 2022), in dem er die kostenpflichtige Vollversion GPT-3 auf den ästhetischen Prüfstand stellt und die erste „Zusammenarbeitspoetik“ Mensch-Maschine vorlegt, und die Präsentation „Aber bei Poesie und Technologie“ von Zuzana Husárová. Von ihr erschien zuletzt (gemeinsam mit Karel Piorecký) am 25.10.2023 der Beitrag „A proposal for a different understanding of artificial intelligence in culture“ im europäischen Poesie-Portal Versopolis. Gemeinsam mit Ľubomír Panák kreierte sie auf Basis von GPT-2 das künstliche neuronale Netz Liza Gennart, das 2021 mit dem slowakischen nationalen Lyrikpreis Zlatá Vlna ausgezeichnet wurde.
Wenn Maschinen dichten – POESIE & KI, Präsentationen und Diskussion
ZEIT: Do, 9. Nov. 2023, 18 Uhr
ORT: IG Architektur, Gumpendorferstr. 63 B, 1060 Wien
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Programm der Poesiegalerie 2023