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Ach, die Liebe

Ach, die Liebe

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Timo Brandt liest Susanna Biharis 3x Liebe


ich möchte dass du mir nochmal sagst
was du mir gesagt hast
hast du zwar nur einmal gemacht
aber ich hab gedacht ich hör nicht recht
und ich hab gedacht
das ist jetzt vielleicht ja doch der beginn von was
von irgendwas

In Susanna Biharis drei Kapiteln über die Liebe wird die Idee des Liebesgedichts ein bisschen gegen den Strich gebürstet – oder vielleicht besser gesagt: Hier wird das Blatt vor dem Mund weggenommen, bevor die Lippen zu ihren Liebesschwüren, -hoffnungen ansetzen – und das Ergebnis ist ungefiltert, stürmisch. Statt gediegen, geduldig und stilsicher sind die Gedichte ungekünstelt, sinnlich, direkt, aber auch haltlos, hungrig, erratisch.

Cover © Keiper Verlag

dich hörn
nach einem langen auf-und-ab-loch
alles hab ich erwägt weil du tonlos warst und nicht da
dir jeden gedanken
und nichtgedanken unterstellt inklusive folgeverhalten

Es wird keine Distanz zum Objekt der Begierde hergestellt, um dieses dann sorgsam zu umwerben, stattdessen sind die Gedichte immer mittendrin, hautnah dabei, die Verwirrungen und Widersprüche abbildend, Hadern und Hoffen ausdrückend. Statt in der Minne befinden wir uns oft in einem Minenfeld aus Erwartungen, Weigerungen und Wünschen, werden konfrontiert mit der Bedürftigkeit, die in der Liebe steckt.

Oh, die Liebe

ich nehm dich ein du droge mit körper
deinen wert hab ich definiert
komm lass mich dich schmecken mit meinem nichts-loch
(…)
ich halt dich
saug dich aus ausgewählter

und wenns nur das ist
dass ich meinen kopf mit dir voll mach
damit was drin ist du süße wolke

In Teilen hat diese ungefilterte Auseinandersetzung dennoch etwas Hymnisches – hymnisch mit fatalistischem Zug, versteht sich. Es wird (scheinbar) zelebriert, wie man in der Liebe vollkommen aufgehen und sich darin verlieren kann, wie sie und die geliebte Person ganz selbstverständlich zum Mittel-, Dreh- und Angelpunkt des eigenen Lebens werden können. Geradezu devot gibt sich das lyrische Ich bisweilen, aufopfernd, getragen allein von dem tiefen Wunsch, die Verbindung aufrecht zu erhalten, selbst wenn das bedeutet, sich selbst dabei zu verausgaben.

ich leuchte mein herz in dich hinein“
(…)
mit meinen lippen zeig ich dir
dass ich alles für dich gäbe
meine schenkel sagen dir schüchtern
dass ich keine revolten planen würde

Diese Passagen werfen oft die Frage auf: Was ist Glück, in Bezug auf die Liebe? Lieben (dürfen), geliebt werden? Ist die Obsession, das Ekstatische, die eigene Bewegtheit ein Glück für sich – oder sind dergleichen ein Zeichen für eine ungesunde Vorstellung von Liebe? Biharis Texte wagen es, uns Leidenschaft und Vernarrtheit zu zeigen, heftige Sehnsüchte und schmerzliche Eingeständnisse. Ein Alles für die Liebe, für das Nichtabbrechen der Verbindung.

dich als dich ganz nehmen
in echt
ein koloss von chaos
ich geb von meinem segelschiff den masten weg
ab die kontrolle
steuerbord voraus ins nowhereland
kapitän
kompass lass liebe sein

Ja, die Liebe

keine ahnung ob ich dich will
dich als paket mit deinen narzisstischen neuröschen
nur weil ich in deine schönen augen so gern reinschaue
so gern da reinspring in deine welt

Aber um was für Verbindungen handelt es sich eigentlich? Denn man kann, wenn man aufmerksam liest und das lyrische Ich und seine Beweggründe hinterfragt (das sich selbst und seine Wünsche bisweilen ebenfalls hinterfragt), durchaus eine zweite Ebene aus- bzw. aufmachen, in der mehr verhandelt wird als nur die individuelle Liebesgeschichte.

See Also

ich bin im bereitschaftsmodus
für die ab-und-zu-minute die du mir gibst
du redest in hauptsätzen auf mich ein
was du isst was du liest wo du bist
ich bin im spring-modus
bin dort wo ich sein soll dann wenn du es willst
halte dann deine hand wenn du sagst dass ich darf

Auf dieser zweiten Ebene begegnen wir mitunter einem erheblichen Ungleichgewicht (und in einigen Fällen Situationen, die an Rebecca Solnits Essays „Wenn Männer mir die Welt erklären“ (dt. 2017) gemahnen). Die Texte handeln dann nicht nur von einem lyrischen Ich, das sich in Wartestellung befindet, sondern von einem ganzen Beziehungskonzept, in dem eine Person die Rolle des/der Fordernden einnimmt und die andere Person der/die Erfüllende ist.

soll ich deine nische sein
dein paradieschen dein verzaubertes plätzchen
wo du dir meine auf dich gerichteten augen abholst
fein brave ohren gespitzt deinen langen sätzen lauschend
anerkennend
lächelnd
immer zum küssen bereit

Da hört man ferne das Wort „toxisch“ läuten, mit dem ich hier aber vorsichtig sein will. Kann es nicht auch erfüllend sein, die erfüllende Person zu sein? Sind nicht eh viele unserer Liebeskonzepte, vor allem die aus Hollywood importierten, eine Blaupause für den „Wie erfülle ich die Wünsche des anderen statt meinen“-Beziehungsaufbau? Und glauben wir nicht alle ein bisschen, dass Liebe immer eine kleine Spur Besessenheit, Unersättlichkeit braucht und die Abwesenheit des geliebten Menschen nicht immer auch ein bisschen einem Notzustand gleicht?

ich klammer mich grad an die luft
damit ich dich nicht beklammer
wohin denn mit meiner sehnsucht
keine ahnung

Nur selten finden die Gedichte eine versöhnliche Note, wenngleich sich das lyrische Ich doch ab und an auf sich selbst besinnt. 3x Liebe und 3x schwierige Verhältnisse lautet darob das Fazit. Bihari schafft es aber, viele Gedanken zur Liebe, zu Abhängigkeit und Bedürfnissen anzustoßen. Ihr lyrisches Ich ringt mit sich und den Geliebten, wie wir alle vermutlich schon einmal mit uns gerungen haben, verstrickt in romantische Obsessionen.

wo sitzt du genau jetzt
mit wem sprichst du genau jetzt
mit wem lachst du genau jetzt

zum küssen wirst du ersatz finden
ich auch

Susanna Bihari: 3x Liebe. Edition keiper, Graz, 2021. 88 Seiten. Euro 18,–

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