Die POESIEGALERIE stellt ihren Autor*innen Fragen zum Schreiben
Heute die Antworten von Christian Steinbacher
1. Schreibst du regelmäßig? Zu welchen Zeiten und an welchen Orten?
Sobald ich mich dazu entschließen kann, eine Gedichtfolge, einen Zyklus oder auch einzelne längere poetische Texte voranzutreiben, wird die Arbeit meistens sehr zeitintensiv. Abseits davon ist aber kein Regelmaß zu verzeichnen. Ich arbeite inzwischen viel in der späten Nacht und am und vorm Computer.
2. Ist Schreiben für dich eher Handwerk oder Inspiration? Wie passen diese beiden Pole zusammen?
Formale Aspekte stehen bei mir oft im Vordergrund. Auch beim Wiederbeleben bereits vorhandener und Entwickeln neuer Formen braucht es aber eine Art Inspiration. Viele Ideen entstehen bei mir erst im Tändeln, im Spiel. Und im Formen ergeben sich Pläne für ein weiteres, anderes Formen.
3. Wo findest du deine Themen? Eher in deinem Leben und unterwegs oder in Büchern und Medien?
In der Regel arbeite ich nicht mit Themen im herkömmlichen Sinn, sondern mit formalen Aufgabenstellungen, an die thematische Belange unterschiedlichster Provenienz andocken. Wenn ich in einem aktuellen Zyklus Kleidungsstücke zu Wort kommen lasse, ist wohl auch das ein Thema auch inhaltlicher Natur. Manchmal geht es zudem um ein Unterwandern und Aushebeln des Gängigen, und das kann Formen, Themen und Spielzüge in gleicher Weise betreffen.
4. Welche Bedingungen muss ein gelungenes Gedicht für dich erfüllen? Oder: Wann bist du sicher, dass ein Gedicht fertig ist?
Die Geformtheit, die Struktur soll ablesbar sein. Bei den meisten Gedichten arbeite ich mehrmals drüber. Ein neues Wort verändert das ganze Gefüge. Es gibt dann fast kein Ende, aber die lange Erfahrung macht einen doch immer wieder wissen, wann ein Austarieren genügend erreicht ist. Wichtig war mir dabei zuletzt oft auch eine fast tanzende Bewegung der Sätze.
5. Trifft auf dich das Diktum zu, dass Dichter*innen Seismographen ihrer Zeit sind – und wenn ja, inwiefern? Anders gefragt: Siehst du für dich als Dichter*in eine Aufgabe in Bezug auf das gesellschaftliche Ganze?
Je weniger Zweck, desto mehr Sinn, sagte ich schon (oder gerade) als junger Dichter. Dem kann ich noch immer etwas abgewinnen. Kunst sehe ich per se als zweckfrei an. Auch nicht über Ratio oder über Emotion an erster Stelle möchte ich die Künste zu definieren versuchen, sondern über geschärfte Sinne. Ausdifferenzierung tut gut, und Feinsinn in Kombination mit einem Aufzeigen der Gemachtheit von allem scheint mir jeder Verrohung grundlegend entgegenzuwirken. So ungefähr kann ich eine Aufgabe erkennen, die natürlich nur ein Angebot sein kann.
6. Kannst du mit dem Satz „Dichten ist ein brotloser Beruf“ etwas anfangen? Oder besteht in deinem Leben eine Spannung zwischen Schreiben und Einkommen?
Dass, um entsprechend leben zu können, neben der poetischen Arbeit auch Jobs auszuüben sind, war mir immer klar. Und das unter anderem auch aus dem Grund, in den Ansprüchen unbeirrbar bleiben zu können. Da das selbstredlich für mich war, will ich auch nicht eigens von Spannung sprechen.
7. Welche Autorinnen und Autoren, welche Gedichte haben dich geprägt, fürs Schreiben sowie fürs Leben?
Dass Gedichte einen fürs Leben prägen, erscheint mir doch gar sehr kräftig formuliert. Die eigene poetische Sicht prägende Autorinnen und Autoren gibt es aber sicher, wobei sich über die Jahrzehnte immer wieder neue Phasen der Konzentration ergeben haben, etwa ein Artmann in frühen Zeiten, Paul Wühr Mitte der Neunziger, Dezső Tandori um die Jahrtausendwende, Zsuzsanna Gahse in den Nullerjahren. Direkt auf die Formfindungen dürfte das aber nicht wirklich übergesprungen sein. In der langen Zeit des Veranstaltens versuchte ich die Arbeiten anderer immer wieder auch von ihrer Warte her zu verstehen, was mir guttat. Früh habe ich mich mit konstruktivistischen und konzeptuellen Texten beschäftigt, daneben aber immer auch traditionelle Lyrik gelesen. Vieles taucht ab in Vergessenheit. Vor kurzem habe ich die „Fragmenttexte“ von Angelika Janz neu gelesen und gemerkt, wie nah mir das nach wie vor ist. Oft sind die, zu deren Lektüre es einen hinzieht, aber gar nicht die, die ähnlich wie man selbst schreiben, und auch das ist gut so.
8. Woran schreibst du gerade bzw. woran hast du zuletzt geschrieben?
Die letzte Phase zu einem großangelegten Manuskript für ein Buch, das mehrere Zyklen und dabei diverse Arbeiten versammelt, die sehr bewusst metrische Komponenten in den Vordergrund rücken, steht bevor. Da werden alte Formen wiederzubeleben versucht, aber auch neue Formen auf diverse Weise entwickelt. Unabhängig davon habe ich mir zuletzt die Trios der Scherzi in den Symphonien von Anton Brucker für auf dem Lauschen fußende „Umschriften“ angeeignet. Nun gilt es, dies sprechend selbst zu interpretieren. Ich schreibe nicht auf die Darbietung als beschließenden letzten Teil hin (wie es etwa meine Kollegin Michèle Métail oft macht), aber doch ist es so, dass die Darbietung eine eigene Kunstform ist, in deren Erarbeiten ich manchmal nicht weniger Überlegungen als in den Schreibprozess einfließen lasse.
9. Gibt es eine Frage, die du dir gerne selbst stellen und beantworten möchtest?
Im Moment nicht. Ich bewege mich aber auch mehr im Tun als im Befragen und bin letztlich mehr im Gestalten als im Ergründen zu Hause.
(Beantwortet am 27. 1. 2024)