Die POESIEGALERIE stellt ihren Autor*innen Fragen zum Schreiben
Heute die Antworten von Eleonore Weber
1. Schreibst du regelmäßig? Zu welchen Zeiten und an welchen Orten?
Regelmäßig schreibe ich vor allem im Zusammenhang mit Projekten. Notizen und Aufzeichnungen mache ich ständig und überall, vor allem beim Gehen. Intensive Schreibphasen gibt es vor Abgabeterminen und Veröffentlichungen.
2. Ist Schreiben für dich eher Handwerk oder Inspiration? Wie passen diese beiden Pole zusammen?
Um ins Schreiben zu kommen, brauche ich eine Art von Dringlichkeit, den „Biss“. Das ist das Schönste am Schreiben, aber auch das Treibende. Die Arbeit kommt hinterher. Wichtig ist mir, Literatur nicht allein als Handwerk zu verstehen. Für mich ist es eher Notwendigkeit.
3. Wo findest du deine Themen? Eher in deinem Leben und unterwegs oder in Büchern und Medien?
Ein Thema arbeitet oft im Untergrund und wird lange herumgetragen, bis es Sprache wird. Oft scheitert das auch. Viele Texte haben Konnexe zu anderen Autor*innen. Es ist mir wichtig, dass Texte nicht für sich allein stehen, sondern, dass es Verbindungen gibt, Nachbarschaften zu Tieren, zu Menschen, zu Medien, vor allem zur Musik.
4. Welche Bedingungen muss ein gelungenes Gedicht für dich erfüllen? Oder: Wann bist du sicher, dass ein Gedicht fertig ist?
Die Begriffe „fertig“ und „unfertig“ passen nicht, weil es immer offene Prozesse und Annäherungen sind. Gelingen ist vor allem das Gefühl, dass etwas so stimmt.
Oder pragmatisch:
Wenn nichts mehr weggelassen oder hinzugefügt werden kann.
Wenn es vor Publikum gelesen sprachlich und rhythmisch passt.
Wenn es in der Zeit haltbar ist.
Wenn eine Botschaft rübergebracht wird.
Wenn ein Widerstand ausgedrückt wird.
Aber ich liebe auch unfertige Gedichte aus unerfindlichen Gründen.
5. Trifft auf dich das Diktum zu, dass Dichter*innen Seismographen ihrer Zeit sind – und wenn ja, inwiefern? Anders gefragt: Siehst du für dich als Dichter*in eine Aufgabe in Bezug auf das gesellschaftliche Ganze?
Alle Menschen können Seismographinnen ihrer Zeit sein. Dichterinnen sind keine Ausnahme. Es ist fraglich, was unter dem gesellschaftlichen Ganzen zu verstehen ist, aber es ist wichtig, in der Gesellschaft eine Position zu beziehen und die Positionen der anderen zu achten. Das Suchen nach und das Finden von Wirklichkeit würde ich als Aufgabe sehen: sich auf die Verhältnisse einen Reim machen. Dieser fällt individuell sehr unterschiedlich aus.
6. Kannst du mit dem Satz „Dichten ist ein brotloser Beruf“ etwas anfangen? Oder besteht in deinem Leben eine Spannung zwischen Schreiben und Einkommen?
Definitiv, aber diese Spannung gibt es in vielen kreativen Berufen. Es ist eine komplexe und wichtige Frage mit vielen Facetten, die ich hier nicht beantworten kann.
7. Welche Autorinnen und Autoren, welche Gedichte haben dich geprägt, fürs Schreiben sowie fürs Leben?
Paul Celan, Ernst Jandl, Friederike Mayröcker, John Donne, Meret Oppenheim, Patti Smith, Virginia Woolf, die Indigo Girls, David Bowie, Kae Tempest u.v.a. Sehr geprägt hat mich das Gedicht „von leuchten“ von Ernst Jandl.
8. Woran schreibst du gerade bzw. woran hast du zuletzt geschrieben?
Gegenwärtig schreibe ich an der Prosasammlung Landkarte im Maßstab 1:1.
9. Gibt es eine Frage, die du dir gerne selbst stellen und beantworten möchtest?
Ich frage mich, wie die Kunst im Konkreten ein Raum von Solidaritäten werden kann.