Die POESIEGALERIE stellt ihren Autor*innen Fragen zum Schreiben
Heute die Antworten von Günter Vallaster
1. Schreibst du regelmäßig? Zu welchen Zeiten und an welchen Orten?
Da ich in mehreren Jobs stecke, die wenigstens alle mit Sprache und Literatur zu tun haben und die natürlich alle auch ernst genommen werden wollen, ist konzentrierteres Schreiben an eigenen literarischen Texten nur zu den sogenannten Randzeiten und an möglichst ruhigen Orten, am besten zu Hause eingeigelt, möglich. Der oft bemühte Satz „Autor*innen schreiben, auch wenn sie nicht schreiben“ trifft auf mich in hohem Maße zu. Ich kann mich nicht einmal Sonntagsschreiber nennen, denn auch die Wochenenden sind oft mit Kursen, Workshops und Veranstaltungen belegt. Eventuell bin ich ein Raunachtschreiber, ein Karwochenschreiber oder einfach ein Kugelschreiber.
2. Ist Schreiben für dich eher Handwerk oder Inspiration? Wie passen diese beiden Pole zusammen?
Handwerk und Inspiration gehören für mich zusammen. Kaum eine Idee kommt völlig aus dem Nichts, Handwerk ist nicht nur mechanisches Ausführen erlernter Handlungsschritte.
3. Wo findest du deine Themen? Eher in deinem Leben und unterwegs oder in Büchern und Medien?
In den letzten Jahren ergaben sich die Themen sehr oft durch Auftragsarbeiten für Zeitschriften, Anthologien und Veranstaltungsprojekte mit thematischen Schwerpunkten. Die Themen trafen sich zwar nicht immer damit, was mich gerade beschäftigte, dennoch waren die Aufträge letztlich immer interessant, zumal neue oder unerwartete Themen helfen können, über den eigenen Tellerrand zu blicken und neue Perspektiven zu erschließen.
4. Welche Bedingungen muss ein gelungenes Gedicht für dich erfüllen? Oder: Wann bist du sicher, dass ein Gedicht fertig ist?
Sicher bin ich mir da nie. Die Unsicherheit, das Unfertige, auch das Fragmentarische können aber Stilmittel sein, die Kontrapunkte zu einer möglicherweise trügerischen Totalität des Fertigen setzen. Der Mut zur Lücke, zur wirkungsvollen Leerstelle gehört für mich somit durchaus zu den Bedingungen für ein gelungenes Gedicht. Auch wenn es mich überrascht, mir neue Dimensionen und Möglichkeiten der Sprache erschließt, mich dazu bringt, es immer wieder zu lesen und weitere Aspekte darin zu entdecken, ist ein Gedicht gelungen.
5. Trifft auf dich das Diktum zu, dass Dichter*innen Seismographen ihrer Zeit sind – und wenn ja, inwiefern? Anders gefragt: Siehst du für dich als Dichter*in eine Aufgabe in Bezug auf das gesellschaftliche Ganze?
Hier kann ich an meine vorige Antwort anschließen: Die Fragen und Krisen der Zeit in ausdrucksstarke, kritische Poesie zu fassen, ist ein weiteres Kriterium für ein gelungenes Gedicht und damit eine wichtige Aufgabe und Motivation des poetischen Schreibens im gesellschaftlichen Kontext. Wenn man bedenkt, dass in Diktaturen die Autor*innen oft zu den Ersten gehören, die im Gefängnis landen, wird klar, dass die Dichtkunst eine ganz grundlegende Konstituente der Freiheit des Wortes, des Denkens und des Diskurses ist. Das Ausmaß der Zurückdrängung von Kunst und Kultur allgemein ist auch ein Gradmesser für Autoritarismus.
6. Kannst du mit dem Satz „Dichten ist ein brotloser Beruf“ etwas anfangen? Oder besteht in deinem Leben eine Spannung zwischen Schreiben und Einkommen?
Da ja leider nur ganz, ganz wenige Autor*innen vom literarischen Schreiben alleine leben können, war es niemals meine Hoffnung oder Erwartung, mit Poesie den Lebensunterhalt bestreiten zu können. Für die meisten, so auch für mich, bietet die Literatur höchstens ein kleines Zusatzeinkommen, etwa über Lesehonorare. Auch wenn es Autor*innen mal gelingt, ein Stipendium oder gar einen Preis zu ergattern, sind die damit lukrierten Mittel begrenzt. In der Regel bringen sie aber eine Reihe von Folgeprojekten und damit die Etablierung mit sich, verbunden mit der Möglichkeit, sich intensiver dem eigenen Schreiben zu widmen. Doch der Kreis dieser Autor*innen ist überschaubar klein, will heißen: Die Selektion ist beinhart. Die Alternative wäre, einen Beruf und Lebensumstände zu haben, die kontinuierliches Schreiben zulassen, doch auch das ist ein seltener Glücksfall. So bleibt den meisten wie auch mir nur übrig, punktuell, sozusagen „nach Vereinbarung“ eigenen Schreibprojekten nachzugehen. Natürlich schreibt man aus Interesse und nicht wegen des Geldes, aber es darf auch nicht übersehen werden, dass Schreiben und das ganze Drumherum wie Organisieren und Präsentieren eine anstrengende Arbeit ist. Die Gefahr der Selbstausbeutung ist real.
7. Welche Autorinnen und Autoren, welche Gedichte haben dich geprägt, fürs Schreiben sowie fürs Leben?
Das wäre jetzt ein langes Namedropping von H. C. Artmann über Gertrude Stein bis Marina Zwetajewa, dazu noch viele zeitgenössische Autor*innen. Der am nachhaltigsten prägende Lyrikband war bestimmt „laut und luise“ von Ernst Jandl, auf den ich auch heute noch immer wieder gerne zurückkomme, ohne ein einzelnes der durchwegs großartigen Gedichte darin besonders hervorheben zu wollen.
8. Woran schreibst du gerade bzw. woran hast du zuletzt geschrieben?
Derzeit schreibe ich an meinem Beitrag für die Vorarlberger Literaturzeitschrift V#40, herausgegeben von Marie-Rose Rodewald-Cerha und Sabine Benzer, zum brisanten Themenkomplex Promptwriting, GPT mit und ohne Chat, künstliche neuronale Netze und sogenannte „künstliche Intelligenz“.
9. Gibt es eine Frage, die du dir gerne selbst stellen und beantworten möchtest?
Ist die Frage die Antwort?
Das ist die Frage.