Als wir Margret Kreidl zu Jahresbeginn um Selbstauskunft zu ihrem Schreiben baten, bekamen wir den Fragebogen nach etlichen Wochen mit nur einer einzigen beantworteten Frage zurück. Die Autorin meinte dazu im Mail, dass „die Selbstauskunft über das eigene Schreiben nicht zu meinem Stärken“ gehöre. Sie habe nur „den ersten Teil der Frage 8. beantwortet – bei meinem Tempo habe ich den Fragebogen dann in zwei, drei Jahren befüllt.“ Wir lernen daraus, dass nicht nur Romane und Gedichtbände langwierige Projekte sein können, wollen euch aber die aufschlussreiche Antwort nicht vorenthalten, während wir weiter geduldig, aber vielleicht vergeblich auf die Beantwortung der restlichen Fragen warten. Allerdings hat uns Margret Kreidl dankenswerterweise auch gleich eine Probe aus ihrer neuesten Arbeit mitgeliefert. Doch lest selbst!
8. Woran schreibst du gerade bzw. woran hast du zuletzt geschrieben?
Ich arbeite gerade an Dreizeilern.
Margret Kreidl
Was lässt sich in drei Zeilen sagen, wie lässt es sich sagen?
Ich möchte das Notathafte aufnehmen, was im Moment erscheint, ein Wort, ein Satz, ein Bild.
Jean Starobinski spricht in Wege der Poesie von Momentaufnahmen oder kleinen Diesheiten
Drei Zeilen, ein ganzes Gedicht – und doch wieder nicht: Es geht auch um das Nicht-Fertigeschriebene, Nicht-Ausgeschriebene.
Es soll etwas sein, das in der Schwebe bleibt.
Heinz Krüger spricht vom Hindurchproben der Gedanken.
Ich schweife durch alle möglichen Gebiete – scheinbar regellos.
Ich möchte auch das Absurde, den Unsinn, die Logik des Traums in aller Kürze festhalten.
Was hat alles Platz in drei Zeilen? Alltagsbeobachtungen, Nachrichten, Wetterberichte, Gesprächsfetzen in der U-Bahn oder vom Kaffeehaustisch nebenan, Echos von Buchlektüren und online-Schlagzeilen.
Meine drei Zeilen sind auch ein Einspruch gegen den aktuellen Themenpark.
Ich möchte mit dem Zeitgeist spielen und das poetische Spiel in aller Kürze mit gesellschaftskritischer Reflexion verbinden.
Diese Kurzform des Gedichts streift das Aphoristische.
Aber konservierte Weisheiten, Sentenzen oder moralische Maximen sind nicht meine Sache.
Ich möchte auch das lyrische Pathos vermeiden, die Metaphernseligkeit.
Ich arbeite mit Notizzetteln, ja, ich nehme die Zettelwirtschaft ernst.
Es geht um die Zettulchen, wie Lichtenberg sagt, und nicht um poetische Prunkstücke.
Und hier geht es zu einem Dreizeiler von Margret Kreidl als Gedicht von heute