Die POESIEGALERIE stellt ihren Autor*innen Fragen zum Schreiben: Heute die Antworten von Fritz Widhalm
1. Schreibst du regelmäßig? Zu welchen Zeiten und an welchen Orten?
Ja. Irgendwann. Tags, nachts. Egal. Wie sich eben Zeit findet, um sie am Schopf zu packen. Fast ausnahmslos an meinem Schreibtisch.
2. Ist Schreiben für dich eher Handwerk oder Inspiration? Wie passen diese beiden Pole zusammen?
Beides. Das Handwerk habe ich mir über die Jahre beigebracht und die Inspiration lauert ja sowieso überall. Viel lesen ist für beides hilfreich, viel leben auch. DADA 1920: Wir fordern die Errichtung der Allgemeinheit gehörender Licht- und Gartenstädte, die den Menschen zur Freiheit entwickeln.
3. Wo findest du deine Themen? Eher in deinem Leben und unterwegs oder in Büchern und Medien?
Na ja, überall eben. „Wo findest du keine Themen?“ wäre eigentlich die bessere Frage.
4. Welche Bedingungen muss ein gelungenes Gedicht für dich erfüllen? Oder: Wann bist du sicher, dass ein Gedicht fertig ist?
Schwierig. Ich lese mir das Geschriebene immer wieder laut vor und irgendwann scheint mir, es funktioniert. Die inzwischen vieljährige Erfahrung hilft da ein bisschen, obwohl mir immer wieder veröffentlichte Gedichte von mir unterkommen, die ich gern umschreiben würde. Manchmal tu ich das dann auch, dann gibt es eben zwei Versionen davon, die Zeiten ändern sich, Fritz ändert sich, warum nicht auch seine Gedichte. Als gelungen betrachte ich beide, die ältere Version war eben damals gelungen und die neuere jetzt. Oder so ähnlich.
5. Trifft auf dich das Diktum zu, dass Dichter*innen Seismographen ihrer Zeit sind – und wenn ja, inwiefern? Anders gefragt: Siehst du für dich als Dichter*in eine Aufgabe in Bezug auf das gesellschaftliche Ganze?
Ob sich Dichter*innen dazu eignen, Schwingungen oder Erschütterungen aufzuzeichnen, wage ich manchmal zu bezweifeln, jedenfalls zeichnen sie etwas auf, was und wie auch immer. Mein Schreiben versucht die Welt zu einer besseren zu machen, so wie ich mir besser als LINKS denkender Mensch eben ausmale, vorzustellen versuche. Okay, manchmal schreibe ich auch für die Unterhaltung, meine und unsere, was ja auch nicht unbedingt schlecht ist. In meinem Gedicht „selbst(be)schreibungen“ schrieb ich 2010 u.a.: ich schreibe solange weiter bis ein paradiesischer zustand erreicht ist. so einfach ist das. so einfach bin ich. meine form ist das paradies. mein inhalt ist das paradies. ich bin dichter. (…) die tatsache, dass zehn prozent der weltbevölkerung neunzig prozent des weltkapitals besitzen lässt mich als dichter nicht gut aussehen. andere statistiken berichten sogar, dass vier prozent sechsundneunzig besitzen. oh gott bin ich ein schlechter dichter.
6. Kannst du mit dem Satz „Dichten ist ein brotloser Beruf“ etwas anfangen? Oder besteht in deinem Leben eine Spannung zwischen Schreiben und Einkommen?
Ich habe es mit viel Glück geschafft, mich Jahrzehnte mit meiner künstlerischen Tätigkeit und immer wieder mal Nebenjobs prekär durchs Leben zu schlängeln. Jetzt bin ich 67 Jahre alt und bekomme eine kleine Pension und Altersversorgung durch die Literar Mechana, also ich komme zurecht. Außerdem habe ich das Glück, in einer günstigen Kategoriezinswohnung zu hausen, was auch sehr wichtig fürs Dichten und Brot ist. Na ja, es ist oft anstrengend, sich ohne fixes Einkommen durchs Leben zu schlängeln. Zum Glück lebe ich seit 40 Jahren mit der Dichterin Ilse Kilic zusammen und da wir immer gemeinsame Kassa hatten, konnten wir Einnahmen und Ausgaben teilen. Schwein gehabt!
7. Welche Autorinnen und Autoren, welche Gedichte haben dich geprägt, fürs Schreiben sowie fürs Leben?
Viele und noch immer mehr. Und weil aller guten Dinge DREI sind, nenne ich jetzt DREI, weil keine zu nennen ist auch irgendwie fad. TatüDADA! EINS: „Weltende“ von Jakob van Hoddis. ZWEI: „Liebe – Chemische Beziehung“ von Elsa von Freytag-Loringhoven. DREI: „Das Leben“ von Ernst Herbeck.
8. Woran schreibst du gerade bzw. woran hast du zuletzt geschrieben?
Ich schreibe gemeinsam mit Ilse Kilic unseren sogenannten Verwicklungsroman. Davon sind bisher 13 Teile in der kleinen und feinen Edition ch erschienen. Darin gehts um die Jana, den Naz und die Welt/Zeit, in der sie leben. Kurt Neumann hat das bei einer Präsentation im Literarischen Quartier Alte Schmiede mal als hyperbiografisches Werk bezeichnet, wir nennen es Verwicklungsroman. Dann schreibe ich noch regelmäßig an meinem Alterswerk, das aber nicht anstrebt, Buch zu werden, sondern ausschließlich als ongoing project auf www.dfw.at nachzulesen ist.
9. Gibt es eine Frage, die du dir gerne selbst stellen und beantworten würdest?
Glaube ich an die lebensverändernde Wirkung von Kunst? Um mir die Frage zu beantworten, hole ich mir Rat bei einem Gänseblümchen.
Ich glaube daran!
Ich glaube nicht daran!
Ich glaube daran!
Ich glaube nicht daran!
Ich glaube daran!
Na ja, ich schummle gerne.