Udo Kawasser
Translation: Geoffrey C. Howes
paliano takes take one jetzt also tramonte nicht anschlussfähig ans heutige gedicht gerade nicht mit diesen postkartenfarben fragwürdig auch ob mit jupiter und venus in der mond schale poetisches kleingeld zu machen ist dennoch: was sich tagsüber bewegte kehrt nun unbemerkt zurück zum glück löst der abendliche dunst die konturen auf wenn sich die landschaft aufräumt und die nacht endgültig zudeckt was nicht mehr rechtzeitig an seinen ort zurückfand und verrückt bleibt wie ein plötzlicher schlenker in der straßenallee so bricht der morgen an als wäre nichts geschehen wer merkt sich schon den verlauf einer hügellinie paliano takes take one so now tramonte incompatible with today’s poem especially not with those postcard colors it’s dubious too whether with jupiter and venus in the moon’s bowl poetical small change can be made but still: what moved during daytime now returns unnoticed it’s lucky that the crepuscular haze blurs the contours when the landscape tidies itself and the night finally covers up whatever hasn’t made it back to its place on time and stays sidetracked like a sudden swerve in the tree-lined street and so the morning dawns like nothing has happened who can remember just how a line of hills runs anyway
vom augenrand I. genau an der linie hier zwischen dem gehauchtem dem fließenden und dem festen an der weichen grenze der zustandsformen der landschaft werfe ich blicke über die strömende flusshaut in deren rillen schatten schlingern und gleißend reflexe kritzeln hinter die netzhaut gespült verfangen sie sich leicht im garn ausschweifender gedanken denn auch der aug apfel schwimmt hinterm wimpernsaum wandert donau aufwärts mit rostigen lastkähnen treibt abwärts an bord weißgestreckter kreuzschiffe und blinkender yachten für momente lässt ihr bug die haut weiß aufklaffen bevor sie sich wieder in wellen schließt im kielwasser die verlaufenden farben eines späten sommertags die in fließrichtung mit dem steten strom verdriften from the edge of the eye I. precisely at this line here between what is breathed what is flowing and what is solid at the softened edge of the landscape’s state of matter I cast glances across the flowing riverskin in whose furrows shadows pitch and yaw and reflections scrawl glistening washed up behind the retina they get easily tangled in the yarn of extravagant thoughts as the eye ball too floats behind the lashes’ edge drifts up the danube with rusty cargo barges floats down aboard whitestretched cruise ships and glinting yachts for moments their bows split the skin open white before it closes up again in waves in wakes the diffusing colors of a late summer’s day that drift downriver with the steady stream
vom augenrand V. ein langsam geführter schnitt quer durch das auge der landschaft in der flachen senke der talschneise das still gleitende schattenmesser von der sonne im gleichmaß über die glatte kante des schroffens gezogen darunter die schwärmenden hautflügler im widerschein vor der eingedunkelten flanke aber der sprung einer forelle endet jetzt schon in der sich unaufhaltsam entrollenden schatten welt – die offene schneide unter der flusshaut lässt die farben zur ader nichts vor dem sie zurückweichen würde in ihrer naturgesetzlichen stetigkeit denn so tückisch führt sie ihre diffuse klinge dass ich ihr lautloses nahen erst bemerke als sie mit kühlem hauch aus meinem rücken tritt from the edge of the eye V. a slow slice made right through the eye of the landscape in the shallow swath of the valley the quietly gliding shadowknife of the sun drawn steadily across the bare edge of the crag the swarming hymenoptera below reflecting light before the darkened valley wall but now the trout’s leap already ends in the relentlessly rolling shadow world—the exposed knife-edge beneath the riverskin leaves the colors to the vein nothing it would recoil from in its natural-lawful constancy for so shrewdly does it wield its diffuse blade that I do not notice its silent approach until with cool breath it departs my back
spuren, gefährte habe heute morgen mit dem fahrrad das weiß in stücke geschnitten könnte dir eine blütenweiße schneedecke zum zudecken schicken mit rabenzeichen in gestickten bäumen es war die frühlingssafranwiese in sils maria (26.5.2001) das gespräch im gebirge zwischen den gletschern die im see knieten aber auch ein winterliches erblinden als würde das gespräch... ich gehöre zu den maschinen welche zerspringen können (14.8.1881) traces, companion this morning with my bicycle icut the white to pieces i could send you a pristine white snowcover to cover you up with raven signs in embroidered trees it was the spring-crocus meadow in sils maria (5.26.2001) the conversation in the mountains between the glaciers that knelt in the lake but also a wintery blinding as if the conversation … i am one of those machines which can explode (8.14.1881)
leibeigene geschichten (ein kanon) I. mont ventoux als ich mit petrarca vom gipfel fiel die wand hinab und er meine hände sah und ich seine augen sah und er meine augen schützend und ich seine augen schützend im freien fall von einer felsspitze vom rumpf getrennt wurden und ein vorstehender grat unsere beiden arme am gelenk kappte und nur mehr unsere hände unsere augen bedeckend die steilwand durchmaßen ganz für den anderen waren und minuten später schließlich im schnee aufschlugen und unsere hände auseinanderrollend die unversehrten augen des andern freigaben stories of self-serfdom (a canon) I. mont ventoux when i fell from the summit with petrarch all down the rock face and he saw my hands and i saw his eyes and he shielding my eyes and i shielding his eyes in a free fall were severed by a sharp crag from our torsos and a protruding ridge clipped both our arms at the joint and only our hands covering our eyes remained to cross the steep face each at the other’s service and minutes later we finally landed in the snow and rolling our hands apart we each freed the other’s unscathed eyes
anima dialoge geliehene landschaften die donau ist jetzt mein geisteszustand so anima als ich dem wasser der au entsteige den geronnenen buchstaben die wieder zu fließen beginnen ach wie die schiffe hin und her schießen zwischen uns es ist der blick durch den spalt aus dem deine briefe kommen oder verwirre ich jetzt alles verstehst du dass ich in europa bin in flüssen die mir nicht gehören in vergangenen geschichten? schwarz münden wir in dasselbe meer weiß nicht wie die kommas setzen in diesem rauschen der knöpfe köpfe vielleicht ist es das erbe der mütter sagt sie diese fremden stoffe die wir zuschneiden zusammen flicken an denen unsere leben kleben wie am geschwärzten wimpernpaars dem knistern von chiffon crêpe de chine unter den fingern wir säumen zwischen brügger spitzen und spitzen valenciennes wir versteppen so anima ja unsere zusammengesteppten existenzen aber auch die maßlosigkeit mit der wir nach fremden landschaften greifen den durcheinanderschießenden fäden in unseren köpfen und körpern wir haben ein geflochtenes rückgrat wie die tänzer anima dialogs borrowed landscapes the danube is now my state of mind thus anima as I climb out of the wetland water the congealed letters that start flowing again oh how the shuttles dart to and fro between us it is looking through the slot from which your letters come or am i mixing it all up now do you understand that i am in europe in rivers that don’t belong to me in past stories? we spill blackly into the same sea i don’t know how to place the commas in this rushing of threads of heads maybe it’s inherited from mothers she says these alien fabrics that we tailor together patches that our lives stick to like mascaraed eyelash pairs the crackling of chiffon crêpe de chine under the fingers we hem and haw between bruges lace and lace valencienne thus we backstitch anima our tapped-together existences but also the exorbitance with which we grasp at foreign landscapes the threads shooting pell-mell in our heads and bodies we have a plaited backbone as the dancers do
die blaue reise. donau – bosporus I. erklär mir wien den regen unter den dächern und in den gesichtern der menschen an welche geschichten halten sie sich unter dem druck der mauern ich sehe überall fassaden muss rückwärts leben hier sag mir wo beginnt diese stadt wo endet sie in dir welche aussicht hast du vom kahlenberg die donau legt sich jetzt wie ein band zwischen uns das blau ist eine lüge rufst du in ihre braune flut verloren verlassen vergessen ich lerne wörter mit ver- ich klammere mich an die linden deiner gasse sag wer spricht wenn die straßen am morgen zu sprechen beginnen ich stütze meine ellbogen auf die brüstung ich sehe zum fenster hinaus aber ich kann mein alleinsein nicht nützen noch immer regnet es unter den dächern erklär mir wien oder der regen spült mich fort von hier the blue voyage. danube – bosporus I. explain vienna to me the rain beneath the roofs and in the faces of the people what stories do they cling to under the strain of the walls i see facades everywhere i must live backwards here tell me where this city begins where does it end in you what vista do you get from the kahlenberg the danube now lies there like a ribbon between us the blue is a lie you shout into its brown flood forlorn forsaken forgotten i’m learning words with for- i cling to the lindens lining your street tell me who speaks when the streets start speaking in the morning i prop my elbows on the railing i look out the window but i cannot use my aloneness it keeps raining under the roofs explain vienna to me or the rain will wash me away from here
die blaue reise. donau – bosporus II. ich schlage das wort grämen nach natürlich kann man alle wörter wieder lesen doch wem gehört dieser schmerz weshalb bin ich hier wo müsste wo sollte wie ist das mit den modalverben wo könnte ich nach dir suchen an diesem morgen die tage kommen ja doch auf ihren wegen mit unterstrichenen momenten die wir nicht verstehen wie lange wird es dauern ihre bedeutung zu finden wie viele österreichische wie viele türkische minuten und sag mir welche fragen kann ich stellen damit die mails nicht mehr zurückkommen ich du oder dein herz jemand von uns braucht einen sprachkurs the blue voyage. danube – bosporus II. i look up the word to grieve of course you can reread any word but who does this pain belong to how is it i am here where should where ought to what is it with these modal verbs where could i look for you on this morning the days are coming on their way with underscored moments that we don’t understand how long will it take to find their meanings how many austrian how many turkish minutes and tell me what questions can i answer so that the emails no longer come back me you or your heart one of the three of us needs a language class