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„der mensch was here“

„der mensch was here“

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Nicole Streitler-Kastberger liest Stefan Schmitzers loop garou


Schon der Titel von Stefan Schmitzers neuem Gedichtband ist ein Wortspiel. Loop garou ist abgeleitet von loup-garou, dem Werwolf im Französischen. Loops sind freilich moderner als so ein Wolf und versprechen kreisförmige Strukturen, die es auch gibt in den Gedichten Schmitzers, wie ich später noch erläutern werde. Der Untertitel des Bandes lautet Invokationen und solche sind auch die meisten der hier versammelten Gedichte; Anrufungen, fast wie Fistons Mwanza Mujilas Kasalas in Kasala für meinen Kaku (2022).

Anrufungen

Nicht der liebe Gott wird freilich bei Schmitzer angerufen, sondern unterschiedlichste Figuren der Weltgeschichte und des Mythos wie der russische Astrophysiker Nikolai Semjonowitsch Kardaschow, der in den ersten paar Invokationen gleich zu Beginn genannt wird, Dr. Sigmund Freud, Hephaistos, Zeus, Athene und Aphrodite, um nur einige zu nennen. Entgegen der Vermutung, dass Schmitzer antikisiere, muss festgehalten werden, dass seine Invokationen alle etwas sehr Heutiges haben.

Der Autor (geb. 1979 in Graz) hat schon einige Texte vorgelegt und ist mit allen lyrischen Wassern gewaschen: Anaphern und Epanalepsen finden sich in seinen Texten genauso wie litaneiartige Wiederholungen und Metaphern (die er witzigerweise „Metaffer“ schreibt). In einem „prooemium“ genannten Eröffnungstext versichert das lyrische Ich, „rückfälle ins magische denken“ zu haben, „da die grenze näher rückt“.

Cover © Ritter Verlag

Was damit gemeint ist, kann man nur erahnen. Doch die ersten paar Invokationen kreisen um unsere Galaxie und deren Verfasstheit: „mit macht füllt sich im zuge der geschichte die leere erde“, lesen wir da. Und: „der mensch was here“. Das verheißt nichts Gutes, wie in dem Witz von den zwei Planeten, von denen der eine behauptet: „Ich hab Menschen“, worauf der zweite kontert: „Das vergeht wieder.“ Mit Kardaschow, nach dem die Kardaschow-Skala zur Kategorisierung der Entwicklungsstufe extraterrestrischer Zivilisationen benannt ist, phantasiert das lyrische Ich von anderen Zivilisationen. Das hat etwas Raumschiff-Enterprise-Artiges-Galaktisches. In der „Invokation der galaktischen Zivilisation“ fallen die Wittgenstein-Sätze: „worüber man nicht sprechen kann“ und „was der fall ist“, die ja auch von der im Eröffnungssatz genannten „Grenze“ handeln. Schmitzer lotet diese Grenze aus und gerät dabei immer wieder an die Grenzen des Sagbaren und an die Grenzen dessen, was wir gemeinhin als „Sinn“ bezeichnen.

Sprachspiel, jandlesk

Die Sprache ist für Schmitzer, wie es in der Avantgarde üblich ist, ein Material, das kreativ weiterentwickelt werden kann. So entstehen Neologismen und Verfremdungen. Durchaus in der Manier Ernst Jandls vermischt der Autor Hochsprachliches mit Dialektalem, lässt er Wortgrenzen fallen, permutiert sie und mischt Laute dazwischen, die dort – graphisch – nicht hingehören, aber einen Mehrwert, einen sprachlichen Zusatz-Reiz ausmachen:

träum fesch feschm hausfarau
taräum feschn hausfarau rau
feschn sich m dem lippmpapaare
wem ghörtas haus
wem ghörtas aus
feschm lippmpa paare sich wemgörtas haus papapaare sich 
	feschm lippmpa paare sich wemgörtas haus papapaare
	sich

Jandls „schtzgrmm“ und andere Lautgedichte klingen dabei an. So auch im Text „invokation von apollon musagetes“, in dem Schmitzer seine Poetik, die in der Praxis von refrainartigen Wiederholungen und Anaphern geprägt ist, in folgenden Versen auf den Punkt bringt:

See Also
Cover Steinbacher Dass es auch zählt

und da säße dann eine schwingung in meim gerät
die legtich als loop
hattichdacht
und der loop gingimmer weiter
ich ließeden stundnlang laufn

Man kennt sie, die loops, von den digitalen Endgeräten, mit denen wir unsere Welt ausgestattet haben. Sie können nerven, haben aber auch etwas angenehm Einschläferndes und Beruhigendes. Man erkennt sich wieder im Immergleichen und Wiederkehrenden. Das machte sich die ältere Lyrik mit dem Reim und der Alliteration zunutze.

7 Zwerge, hoe!

Auch H.C. Artmann dürfte Pate gestanden haben, wenn es dialektal und grotesk-komisch wird, wie in den im hinteren Teil des Bandes versammelten Texten (kaum mehr Gedichte zu nennen), in denen ein erzählendes Kollektiv den „wald heinz“ oder „heinz wald“ erkundet. Dort trifft es auf verschiedene Tiere, deren Namen es zunächst nicht weiß, dann aber listenförmig aufzählt (auch Wölfe tauchen hier auf, also doch noch!). Diese Erkundung des Waldes „heinz“ hat etwas Rührend-Naives, wie wenn die sieben Zwerge aus dem gleichnamigen Film aus dem Jahr 2004 in den Wald marschieren. Schmitzer gelingt es da, eine eigene popartige Welt zu kreieren, in der die Wirklichkeit fingiert ist und die Fiktion wirklich. Auch Jelinek klingt hier an, wenn der Ich-Erzähler sich an der Wendung „aus der haut fahren“ über mehrere Absätze lang abarbeitet. Dass schließlich auch noch Joseph Beuys auftaucht, scheint nur folgerichtig, eine ähnliche natürliche Kunstwelt, wie sie Beuys in seinen Arbeiten gestaltet hat, erzeugt auch Schmitzer in seinen Wald-Texten.

Gegen Ende des Bandes findet sich denn auch eine handfeste Poetik, die der Avantgarde eine Lanze bricht, nämlich dergestalt, dass die Worte, die der Dichter setzt, „keinen sinn haben, in der art, dass der verfasser oder die verfasserin sich was dabei gedacht hätte“ und „dass die worte und die sonstigen bedeutungstragenden einheiten vollkommen zufällig aus dem wörterbuch herausgegriffen sind“. Freilich ist das auch ein Stück weit kokett, denn Sinnbruchstücke finden sich zweifellos in den Schmitzer’schen Texten. Und gelegentlich werden sie auch sehr konkret und politisch, etwa im Text „invokation hermes argeiphontes“:

also.
kind mit spielzeuggitarre.
es gehört einer ethnischen minderheit an.
es hat die enttäuschung noch nicht erfahren dass es nicht teilhaben wird dürfen an allen den glückseligkeiten die von den wohlmeinenden vertretern des bildungssystems allen kindern versprochen werden wenn sie brav sind.

Stefan Schmitzer: loop garou. Invokationen. Klagenfurt/Graz/Wien, Ritter Verlag, 2024, 96 Seiten, € 15.

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