Helmuth Schönauer liest Klaus Ebners Podium Porträt
Liliput ist in seiner Urform eine fiktive Insel in Swifts Roman Gullivers Reisen. Später hat sich unter diesem Namen die Idee durchgesetzt, eine große Welt überschaubar zu machen, indem man sie verkleinert, bis sie auf einem Handteller Platz hat.
In der literarischen Serie „Podium Porträt“ wird die große Welt der Poesie heruntergebrochen auf einen wesentlichen Gedanken, der einer porträtierten Person als Lebensmotto dienen könnte.
Foto © Podium
Das „Liliput“-Format in Postkartengröße und im Umfang von 66 Seiten (wie einst bei den „Perry Rhodan“-Heften) ermöglicht es, das jeweilige Porträt als Visiten- und Grußkarte unter Freunden zu verschicken. Und wie in den klassischen Fußballer-Sammlungen von Panini werden die lyrischen Stars mittlerweile gehandelt, gelesen und getauscht.
Klaus Ebner ist im März 2024 Star der Podium-Sammlung. Seine „Lebensthese“ fasst Hannah Mühlparzer in ihrer Einleitung mit der Fügung zusammen „Respiro paraudes / Ich atme Worte“. Darin ist wundersam knapp zusammengefügt, dass der Autor seine Texte oft in Katalanisch mitverfasst, um den Gedichten eine zusätzliche Sprachbeleuchtung zu verpassen.
In der Poesie gilt ja die Annahme, dass sie in allen Sprachen der Welt auftritt, weshalb sie nie eindeutig ist. Die Überlebensformel „Ich atme Worte“ lässt sich wahrscheinlich von allen Sprachen beflügeln wie ein „fang mir den Mond“ oder „die Sonde meiner Seele“.
Im Vorwort arbeitet Hannah Mühlparzer sechs Schritte heraus, mit denen Klaus Ebner auf den Kern seiner Poesie zuzugehen scheint: I – am Werden // II – Original // III – Tradition // IV – Leinwand // V – Fremdheit // VI – Conclusio.
Deutsche und katalanische Begriffsleinen
Für eine erste Rezeption dieser Lyrik sind diese gespannten Begriffsleinen hilfreich, um darauf die einzelnen Gedichte für lange Haltbarkeit auszulegen, wie Früchte beim Trocknen im Wind. Ein zusätzlicher Aspekt ergibt sich durch das lyrische Stereoskop, wenn Katalanisch und Deutsch, quasi übereinandergelegt, die Motive plastisch erscheinen lassen.
Lesern, die des Katalanischen nicht mächtig sind, muss im ersten Anblick das Layout in fremden Worten genügen. Aber der wesentliche Eindruck, dass eine einzelne Sprache immer zu wenig ist, um das Universum zu begreifen, lässt sich schon bei diesem oberflächlichen Vorgang erahnen.
Die Würdigung jenes Kosmos, den Klaus Ebner für uns ausgelegt hat, vollzieht die Autorin anhand des titelgebenden Gedichtes in Katalanisch und Deutsch.
ich atme Worte die schon vor der Sprache der sie angehören existierten ich öffne meine Hände um sie zärtlich zu berühren es ist der Duft der verrinnenden Zeit die ich dem Leben entlehne respiro paraules que aparegueren abans que la llengua a la qual pertanyen existís obro les mans per a tocar-les delicadíssimament és l’olor del temps passant que vaig manllevar a la vida
Zug ins Universelle, die Ferne und ins Innere
Diese simultane Anwendung der beiden Layouts stellt die übliche Art des Übersetzens in Frage, heißt es, und in der Conclusio kommt eine Überlegung zum Vorschein, wonach sich die Gedichte sowohl in die Ferne als auch ins Innere richten. Die Gedichte haben also nicht nur einen panpoetischen Zug hinein ins Universelle, sondern auch die Schleuderkraft eines Empfindungspfeils, wenn dieser von innen nach außen zielt, aber von außen nach innen wirkt, wohl hinein bis mitten ins Herz.
Biografische Daten und ein Überblick über die Publikationen lassen die Größe dieses Podium-Konzepts final aufblitzen. In jedem einzelnen Porträt nämlich müssen Leben, Wirken und Werk eingedampft werden auf die magische Seitenzahl 66. Das Podium Porträt über Klaus Ebner ist naturgemäß „zeitlos“, andererseits unterliegt es auch der Schwerkraft während der Publikation im Jahre 2024. Die Podium Serie hat ihren geografischen, mentalen und personellen Schwerpunkt wohl in Niederösterreich und unterliegt den Passatwinden des Landes mit seinen vier Vierteln.
Seit Beginn des aktuellen Jahrhunderts sind 127 Porträts entstanden, die ein quasi kanonisiertes Potpourri von Literatur dokumentieren. Die Serie erhält durch die öffentliche Förderung einen beinahe amtlichen Anstrich nach dem Motto: Seht her, dies und das haben wir um diese Zeit für Förderungswert gehalten. Viele Porträts dienen deshalb auch als Baustein für das Projekt „Vorlass“, und das Land Niederösterreich ist berühmt für seine umfangreiche Vorlass-Förderung.
Seit die aktuelle NÖ-Landesregierung einem Großteil der Autorinnen missfällt, gilt qua Petition der IG Autorinnen Autoren das Verhältnis zwischen Künstlern und Regierung als eingefroren. Eine Spezialität im Umgang mit Texten stellen diverse Sonderzeichen für Geschlechtsformulierungen dar, die für amtliche Texte verboten sind.
Im konkreten Podium-Fall ist dieses Problem dadurch gelöst, dass der vorangestellte Meta-Text durchgehend mit Asterisken versehen ist, die aber in den poetischen Texten vermieden sind. Mag sein, dass hier das Katalanische ein Ausweg ist, um den Konflikt zwischen öffentlichen und poetischen Texten zu umschiffen.
Klaus Ebner: Klaus Ebner. Podium Porträt 127. Vorwort: Hannah Mühlparzer. Podium, Wien, 2024 64 Seiten. Euro 6,–