Now Reading
Der siebten Poesiegalerie dritter Tag

Der siebten Poesiegalerie dritter Tag

von Klaus Ebner

Tag 3 / Samstag, 16. November

Es geht in den dritten Tag und gleichzeitig ins Finale der diesjährigen Poesiegalerie-Veranstaltung; es ist ein Tag mit vollem Programm von 17:00 Uhr bis Mitternacht (sofern der Zeitplan hält). Anfänglich sind die Sitzreihen der Lokalität in der Gumpendorfer Straße noch nicht ganz gefüllt – aber das ändert sich sehr rasch, als die Lesungen beginnen, und eine halbe Stunde später bleibt nur mehr zu sagen: full house.

17:00

Melitta Urbancics Tochter Sibyl liest die Gedichte ihrer Mutter bei der Poesiegalerie am 16.11.2024

Rhea Krčmářová begrüßt das Publikum zum dritten Veranstaltungstag und stellt gleich darauf die Biografie der jüdischen Autorin Melitta Urbancic (1902-1984) vor. Diese studierte Anglistik, Germanistik und altnordische Sprachen und übersetzte später aus dem Isländischen. Zudem war sie auch Schauspielerin und Bildhauerin. Ihre Gedichte werden in der Poesiegalerie nun von Tochter Sibyl Urbancic (*1937) gelesen.

Ein paar einleitende Worte gibt es auch von der Vertreterin der Theodor-Kramer-Gesellschaft, die das Werk veröffentlicht.

Zur Einleitung stellt Rhea auch das „Warn-Geklimper“ auf dem Lamellophon vor, das anfänglich von Kirstin Breitfellner bedient und gleich einmal probeweise „angeklimpert“ wird. Es dient dazu, den Autor*innen anzuzeigen, dass ihre Lesezeit zu Ende geht. Ein kleiner, manchmal erforderlicher „Schubser“, um das sehr dichte Programm innerhalb seines vorgesehenen Zeitrahmens abzuwickeln.

Urbancics Gedichte handeln vom alten Wien von der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, geben aber auch Eindrücke von Schiffsfahrten zu den nordischen Ländern. Melitta Urbancic schrieb einen Teil ihrer Lyrik auf Englisch und Französisch. Ein paar Beispiele aus dem Englischen werden von Sibyl Urbancic vorgetragen. 

17:18

Der nächste Leseblock wird von der aus Indien stammenden Sarita Jenamani (*1972) bestritten, die unter anderem Generalsekretärin des österreichischen P.E.N. ist. Sie schreibt auf Englisch, Hindi und in ihrer Muttersprache Oriya. Sie hat Rose Ausländer ins Hindi übertragen.

Sarita Jenamani liest bei der Poesiegalerie am 16.11.2024

Das Mikrofon fällt kurz aus, aber die Autorin nimmt es mit Humor und sagt, den ersten Teil hätte sowieso niemand verstanden, denn sie las den Text in einer der beiden indoarischen Sprachen! Natürlich geht es hier um das Klangerlebnis der fremden Sprache – insbesondere bei Lyrik eine wertvolle Zugabe. Auch Jenamanis Texte werden von der Theodor-Kramer-Gesellschaft herausgegeben. Die Gedichte gehen gewissermaßen von Alltagssituationen aus, entpuppen sich aber meist als Gedankenlyrik, in denen stets auch ein wenig Melancholie mitschwingt.

17:34

Christl Mth liest bei der Poesiegalerie am 16.11.2024

Christl Mth, geschrieben wie das Christkind, ausgesprochen wie die Droge! (Ich gebe hier bitte nur wieder, was auf der Bühne deklariert wurde!) Die bei Haymon veröffentlichten Gedichte der Autorin schöpfen aus dem Leben. So etwa der einleitende Text über den Apfelsaft.

Christl Mth erwähnt, dass sie diesen Text in ihren literarischen Anfängen schrieb, zu einer Zeit, in der sie noch nicht wusste, dass sie in der Lage wäre „Bücher zu schreiben“. Gut, dass es sich dann anders „ergeben“ hat. Mths Buch Ich hasse mich gab ihr, wie sie erzählt, eine Möglichkeit, viele Dinge, unter anderem erlebte Gewalt, zum ersten Mal offen und deutlich anzusprechen und zu verarbeiten.

17:48

Die Vorarlbergerinnen Katharina Klein (*1996) und Linda Achberger (*1992) betreten auf Einladung der Autor*innenzeitschrift V die Bühne. Die gelesenen Texte sind sehr persönlich, arbeiten aber zum Teil mit ziemlich radikalen und drastischen Bildern und Ausdrücken.

Katharina Klein und Linda Achberger lesen bei der Poesiegalerie am 16.11.2024

Eine Menge Analogien gibt es aber auch zur Sprache der Informationstechnik. Mich wundert, dass keine der beiden vorarlbergerisch klingt; das hat wohl mit ihren beruflichen Tätigkeiten zu tun, die zu einem guten Teil, wie aus der Vorstellung zu hören war, in Deutschland beheimatet sind.

18:09

Die erste Pause zieht in den Saal: Beine vertreten, in den ausgestellten Büchern stöbern, Freund*innen begrüßen, angeregte Gespräche führen oder in einer Ecke sitzen und mal das Hirn ausdampfen lassen, aber auch Buffetandrang und WC-Belagerung …

18:20

Organisator (und Präsentator und Autor und …) Udo Kawasser übernimmt die Moderation, und die Reihe ist an Fedor Pellmann (*1967).

Pellmann war eine Zeitlang Automechaniker, studierte aber Germanistik und Hispanistik, wurde Lehrer und verbrachte einige Jahre in Argentinien. Pellmann gab in seiner Biografie an, anfänglich „unfreiwillig“ Gedichte geschrieben zu haben, welches den Moderator fragen lässt, was denn das heiße.

Fedor Hellmann liest bei der Poesiegalerie am 16.11.2024

Pellmann meint dann einleitend, seine Texte seien zwar pessimistisch, allerdings trete er stets für die Menschlichkeit ein. Und die Lyrik liest er dann mit sehr ruhiger und eindringlicher Stimme. Ein schöner Abschlusssatz, den ich gerne generell für die Lyrik gelten lassen möchte: „Von hier aus erobern wir die Welt!“

18:35

Philipp Hager liest bei der Poesiegalerie am 16.11.2024

Als Nächster ist Philipp Hager (*1982) an der Reihe. Er durchlief eine ganze Reihe sehr unterschiedlicher Jobs (bis hin zum Rausschmeißer und Redakteur eines Kampfsport-Journals), bis er bei der Literatur landete. Die vorgetragenen Gedichte stammen aus einem 2023 bei Sisyphus erschienenen Band.

Hager kommentiert seine biografischen Stationen in sehr sympathischer und humorvoller Weise; die mäandernde berufliche Laufbahn bezeichnet er aber als „Sammelprozess“, der sich zu einer literarischen Umsetzung wandelte.

Die gelesenen Gedichte haben einen prosaischen und daher narrativen Charakter – ein Stil, der mir schon in der ersten Lyrikpublikation bei Arovell aufgefallen ist –, aber die Inhalte nehmen oft sehr poetische Wendungen. „Die alten Landkarten haben ausgedient. Wir brauchen Entdeckerinnen. Wir brauchen Entdecker.“ heißt es da etwa lapidar – ein Statement, das sich auf sehr vieles ausdehnen lässt!

Zwischenbemerkung: Das „Warn-Geklimper“ schlägt bei fast allen zu! Aber das Wissen um dessen Vorhandensein führt zu mehrfachem Nachfragen der Autor*innen, wie viel Zeit denn noch bleibe. Ich halte das für eine witzige Auflockerung des Geschehens …

18:49

Die Reihe ist an Georg Bydlinski (*1956). Er studierte Anglistik und Religionspädagogik und lebt seit über vierzig Jahren als freier Schriftsteller in Mödling. Bydlinski publizierte bereits mehr als 100 Bücher und CDs, darunter Romane, Lyrik und Kinderbücher. Zuletzt veröffentlichte er Blättervogel in der Edition Tandem. Aus diesem Buch liest der Autor Gedichte vor.

Georg Bydlinski liest bei der Poesiegalerie am 16.11.2024

Es sind sehr poetische Texte, die stellenweise mit einzelnen, geradezu hingeworfenen Worten arbeiten, welche nicht nur Gefühle auslösen, sondern auch zum Denken anregen. Ein schöner Gedanke zum Mitnehmen: „Ein Buch, das auf Mitsprache wartet.“

19:10

Die zweite Pause zieht in den Saal: (Illustre Pausengeschehnisse siehe oben!)

19:20

Filmstill aus Sarah Braids "HolladioHodsGsogt"

Der Poetry-Film HolladioHodsGsogt von Sarah Braid (*1993) wird gezeigt. „Ein Fels in der Brandung für den Geist und die Sprache“. Für solche Filme besteht eine Zusammenarbeit mit dem Vienna Poetry Film Festival. Die Präsentation von Poetry-Filmen trägt zum transmedialen Charakter der Poesiegalerie bei, erläutert Udo Kawasser.

Thematisch handelt HolladioHodsGsogt von der leider so oft vorhandenen Gewalt gegen Frauen. Als Zeichentrickfilm und mit kontrastiver Musik – Wirtshaus-Volksmusik vs. Rap – wird auf aus meiner Sicht anachronistische, aber noch immer existente Männer(wahn)vorstellungen hingewiesen, welche Frauenunterdrückung und einer damit einhergehenden Gewalt den Weg bereiten. Es ist wirklich beeindruckend, was für ein starkes Statement fünf Minuten Film geben können!

19:30

Vorstellung von Clemens Setz (*1982) durch Lukas Meschik. Setz spricht von einer neuen Form von Poesie. Er stellt Twitter-Accounts vor … Überlegungen zu einer möglichen neuen Form deutschsprachiger Lyrik.

Clemens Setz liest bei der Poesiegalerie am 16.11.2024

Die angeführten Tweets schwadronieren über Gott und die Welt – und tat das die Lyrik nicht immer schon? Humorvolle „Sprachanalysen“ charakterisieren den Vortrag, und vieles sorgt für Lacher im Publikum. Der Account, dessen Nachrichten Setz anführt, wurde gesperrt, als er eine, sagen wir: unanständige, Anfrage an Elon Musk stellte. Setz betont aber, dass es sich dabei weder um einen Gewaltaufruf noch um eine antisemitische, antiislamische oder ähnliche Äußerung behandelt hat. Die Twitter-Welt, so der Eindruck, ist jedenfalls ein Kapitel für sich.

Danach folgt ein Gespräch zwischen Clemens Setz und Lukas Meschik. Die Intensivierung von „Nonsens-Sätzen“ wurde laut Setz ab 2016 sichtbar. Diese Sätze waren zumeist grammatisch nicht korrekt. Setz bezeichnet dies als „Twitter-Deutsch“. Bekannt ist die Aussage, das Internet vergäße nichts und niemals, doch in der Praxis gibt es sehr wohl Möglichkeiten, Einträge zu entfernen. Die Entfernung muss jedoch nicht nachhaltig sein, falls die Daten bereits von jemandem heruntergeladen oder archiviert wurden.

Gedichte brauchen nicht mehr in Büchern publiziert werden? Diese früher getätigte Aussage hat Clemens Setz durch die eigene Praxis konterkariert. Er glaubt allerdings, dass die Wirkung von Lyrik in anderen Bereichen, etwa im Web oder in Sozialen Medien, höher ist. Lyrikbände bezeichnet er als eine Form des „Wegsperrens“ von Lyrik und nur für wenige Leute geeignet.

Die im Buch genannten Personen wurden von Setz im Vorfeld natürlich kontaktiert, und sie waren begeistert über die Bearbeitung ihrer Texte. Nur eine, sagt er, hätte sich geweigert, genannt und zitiert zu werden. Als Lukas Meschik frech fragt „Wer?“, schwappt ein Auflachen durchs Publikum.

20:00

Die dritte Pause zieht in den Saal: (Illustre Pausengeschehnisse siehe oben!)

20:15

IN MEMORIAM: Wir gedenken der mit erst 37 Jahren verstorbenen Kollegin Manon Bauer (1987-2024). Sie hatte Romanistik und Violoncello studiert und war freie Schriftstellerin, Kunsttherapeutin, Kammermusikerin und Cellopädagogin. Ihr Gedichtband mit dem katalanischen Titel cap al silenci (auf in die Stille) erschien bei Keiper. Sie schrieb darin Variationen zu Gedichten von Miquel Martí i Pol. Udo Kawasser spielt eine Aufnahme einer älteren Poesiegalerie-Veranstaltung vor, in der Manon Bauer ihre Texte vortrug. Eine sehr beeindruckende Kurzlesung der Autorin, überaus gefühlvoll und perfekt zu den Texten passend. Das Bewusstsein ihres frühen Ablebens hinterlässt eine ganz andere als in ihrem Buchtitel gemeinte Stille im Saal.

in memoriam Manon Bauer 1987 – 2024

Wir gedenken des Autors Bodo Hell (1943-2024), der seit dem 9. August im Dachsteingebiet verschollen ist. Der 81jährige wurde an diesem Tag zuletzt gesehen. Suchaktionen verliefen erfolglos, wie auch aus den Nachrichten bekannt ist. Bodo Hell war mehrmals in der Poesiegalerie zu Gast. Zuletzt erschien 2023 noch ein Buch. Seine Lesungen sind auf der Webseite der Poesiegalerie abrufbar. Auch jetzt wird eine Lesungsaufnahme abgespielt, bei der die atemlose Lesegeschwindigkeit des Autors ungläubiges Staunen im Publikum hinterlässt. Hells Lesungen können meines Erachtens getrost als Performances bezeichnet werden.

im memoriam bodo hell 1943 –2024

20:34

Gerhard Russ liest bei der Poesiegalerie am 16.11.2024

Gerhard Ruiss (*1951) betritt die Bühne. Er ist als Interessensvertreter der IG Autorinnen Autoren weithin bekannt. Ausbildung als Schriftsetzer, aber 1978 wechselte er in freiberuflich kulturpublizistische und literarische Tätigkeiten.

Sein jüngster Lyrikband Reimverbote und andere Schreibaufträge, gemeinsam mit Klaus Zeyringer (*1953) erschien bei Keiper. Die Arbeit mit „dem Material Sprache“ ist ihm als Autor ein Anliegen. Und die launische Frage: „Wie kann man trotzdem etwas sagen, indem man alles Mögliche vermeidet?“ liegt vielem zugrunde. Wiederholungen, Bilder unerwartet und durchaus bissig – eine großartige Arbeit an und mit der Sprache zeichnet dieses Buch aus.

20:48

Flügelspitze an Flügelspitze wurde von der Literaturedition Niederösterreich veröffentlicht. Astrid Nischkauer (*1989) liest, und die Bilder von Linde Waber auf Basis von Mayröcker-Texten, zu denen die vorgetragenen Gedichte gehören, werden für die Zuschauer*innen projiziert. Einige der Texte nehmen ihren Ausgang in Naturbetrachtungen und verlaufen in ruhiger Kontemplation.

Astrid Nischkauer liest bei der Poesiegalerie am 16.11.2024

Allerdings blickt dann auch „die dunkle Seite des Meeres“ durch, und plötzlich ist die Rede vom Krieg in der Ukraine. „Wir leben in einer Seitenblase des Friedens.“ Eine starke Aussage, die leider zutreffen könnte.

21:02

Mario Huber liest bei der Poesiegalerie am 16.11.2024

Kirstin Breitenfellner übernimmt die Moderation und stellt Mario Huber (*1987) vor. Er studierte Germanistik und Philosophie in Graz, arbeitet als Universitätsassistent und schreibt vor allem Dialektgedichte. Huber trägt nun unveröffentlichte Dialektgedichte vor.

Er sagt, er sei ein schlechter Geschäftsmann, und ja: da wären noch Manuskripte zu haben … (Verlage vor!) Interessant, dass die Einleitung standardsprachlich erfolgt, und erst bei den Gedichten fällt er in den Dialekt. Aber es ist nicht nur der Dialekt, der sehr anziehend klingt, sondern auch der ironische Duktus und die gewitzten Seitenhiebe auf Politisches und Gesellschaftliches. Den Abschluss bildet ein ziemlich rasant gelesenes Langgedicht – in Standardsprache.

21:20

Die vierte Pause zieht in den Saal: (Illustre Pausengeschehnisse siehe oben!)

21:30

Rhea Krčmářová (*1975) wird von Kollegin Kirstin Breitenfellner vorgestellt. Krčmářová ist Autorin und transmediale Textkünstlerin; bei der Poesiegalerie zeichnet sie für den Bereich Soziale Medien verantwortlich. Zuletzt erschien der Roman Monstrosa, worin es unter anderem um die Entfremdung vom eigenen Körper und den Kosmetikwahn geht.

Rhea Krčmářová liest am 3.Tag bei der Poesiegalerie am 16.11.2024

Rhea Krčmářová trägt Gedichte aus ihrem bei Limbus erschienenen Band Tagebruch/Instant mit eindringlicher Stimme vor. Manche Verse sind englisch, eingebettet in einen deutschen Text. Bei diesen Gedichten ergibt das eine wunderbare Synergie, rhythmisch und inhaltlich. Obwohl die Texte jeweils mit ihrem Entstehungsdatum versehen sind, was sie in die Nähe von Tagebucheintragungen rückt, überrascht ihre poetische Strahlkraft. Die parallel projizierten Bilder tragen zu diesem Eindruck in wunderbarer Weise bei.

21:20

Udo Kawasser (*1965), Initiator der Poesiegalerie, wird ebenfalls von Kirstin anmoderiert. Der vorgestellte Lyrikband tarquinia – gespräche mit schatten hat seine Wurzeln in Italien und dem Besuch der etruskischen Nekropolen mit ihren diseitsgeprägten Fresken und der Lektüre von Lukrez‘ „Von den Dingen der Natur“, der Epikurs Philosophie den Römern näherbrachte. Kawassers neues Buch greift wichtige und drängende Themen auf, wie die Frage nach dem Tod in einer Gesellschaft, die an kein Jenseits mehr glaubt.

Udo Kawasser liest aus "tarquinia - gespräche mit schatten" am 16.11. bei der Poesiegalerie 2024

Der konzeptuelle Band besteht aus sechs Canti, in denen jeweils sechs Themen variiert werden. Diesen Themen sind unterschiedliche Farben wie Umbra, Lapislazuli oder Ocker zugeordnet, die bei der Erstellung der Grabfresken verwendet wurden. Während Kawassers Lesung werden die Bilder – abstrakte Aquarellstücke – an die Wand projiziert. Nach der Lektüre eines ganzen Cantos meint der Autor, dass man den Band auch den Farben entlang lesen kann. Das Publikum wird nach einer beliebigen Farbe gefragt, das Ergebnis lautet „Kohle“, der Autor sucht die passende Seite in seinem Buch, und beginnt: „in schächten/ aus starken winden/…“

See Also

22:05

Elke Laznia (*1974) wird von ihrer Tochter Miriam Laznia am Keyboard begleitet. Das Prosa-Gedicht Fischgrätentage ist einerseits genuine Lyrik und andererseits eine Art Roman. Dafür erhielt die Autorin den Alois-Vogel-Literaturpreis.

Die Darbietung, eine Kombination aus Lyriklesung und Klaviermusik, bringt eine spezielle Note ins Programm. Das Zuhören gilt nun nicht mehr nur den Worten, die von Elke Laznia mit viel Emotion vorgebracht werden, sondern dem Gesamteindruck, dem Klang des Ganzen. Es ist eine Art Gesamtkunstwerk, und ich bin versucht, mich mit geschlossenen Augen zurückzulehnen und mich einfach vom Fluss der Worte und der Musik treiben zu lassen … (aber dann könnte ich das Protokoll nicht weiterschreiben). Das Buch erschien bei Müry Salzmann.

22:26

Die fünfte Pause zieht in den Saal: (Illustre Pausengeschehnisse siehe oben!)

22:36

Alexander Michels liest bei der Poesiegalerie am 16.11.2024

Alexander Micheuz (*1983) wurde in Eisenkappel/Železna Kapla geboren und studierte Germanistik. Das lyrische Ich dominiert die vorgetragenen Gedichte, die sich inhaltlich gesellschaftskritisch geben und mit einer gehörigen Portion Ironie arbeiten.

Die Gedichte sind nummeriert und beschreiben Landschaft, die Betrachtung dieser und eine Art Selbstbeobachtung. Die Texte wirken teilweise prosaisch, vereinzelt tauchen witzige Wortspiele auf, allerdings auch eine ganze Menge ziemlich derber Formulierungen.

23:00

Rebekka Zeinzinger (*1992) wird von Rhea Krčmářová anmoderiert und ist auf Einladung der parasitenpresse hier. Sie übersetzt bosnische Literatur und liest Gedichte von Faruk Šehić (*1970).

Rebekka Zeinzinger liest bei der Poesiegalerie am 16.11.2024

Dieser kämpfte im Jugoslawien-Krieg, und seine Erlebnisse aus dieser Zeit schlagen sich in den Texten nieder, die Rebekka Zeinzinger als „dunkle Texte“ bzw. „dunkle Themen“ bezeichnet. Die Gedichte wirken narrativ, und so werden sie mehr oder weniger wie Prosa vorgelesen; wie eine autobiografische Prosa in der Handschrift von Tagebucheintragungen.

Zwischenbemerkung: Das „Warn-Geklimper“ war nun tatsächlich schon länger nicht mehr zu vernehmen …

13:15

Kirstin Breitenfellner liest bei der Poesiegalerie am 16.11.2024

Rhea moderiert nun Kirstin Breitenfellner (*1966) an. Kirstin studierte Germanistik, Philosophie und Slawistik. Sie liest Gedichte aus ihren bei Limbus erschienenen Büchern. Zuerst trägt sie Gedichte vor, die in Venedig entstanden sind. Auch für diesen Lyrikvortrag sollen Bilder projiziert werden, doch macht die Technik diesem Ansinnen einen Strich durch die Rechnung.

Nach einer kleinen Verzögerung funktioniert die Diashow aber doch noch. Nach dem venezianischen Ausflug liest Kirstin Sonette aus dem Band Gedichte ohne ich. Ursprünglich, erzählt sie, wollte sie eigentlich nie Sonette schreiben, aber irgendwie ergab es sich dann; inzwischen liegen zwei Bände mit Sonetten vor. Sie will aber „bis auf Weiteres“ keine Sonette mehr schreiben, weil sie nicht, wie sie augenzwinkernd sagt, als „Sonette-Tussi“ gelten will. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht schreibe ich mein Protokoll weiter.

23:26

Die sechste und letzte Pause zieht in den Saal: (Illustre Pausengeschehnisse siehe noch immer oben, allerdings gibt es jetzt keinen Stau mehr vor dem WC!)

23:43

Der letzte Teil ist betont musikalisch geprägt. Den Beginn macht die in Ungarn geborene Katalin Jesch (*1963). Sie studierte Betriebswirtschaft und lebt heute in Salzburg. Jesch veröffentlichte vier Bücher.

Katalin Jesch liest bei der Poesiegalerie am 16.11.2024
Yoram Rosilio begleitet am Bass die Lesung von Katalin Jesch bei der Poesiegalerie am 16.11.2024

Begleitet wird sie am Kontrabass von Yoram Rosilio. Gleich zu Beginn überrascht Rosilio, indem er mit dem Musikinstrument keine Melodie, wie wir sie erwartet hätten, sondern eine unglaubliche Geräuschkulisse erzeugt. Als diese, mit einzelnen Tönen des Basses, mehr in dem Hintergrund rutscht, setzt Katalin Jeschs Stimme mit den Gedichten ein.

„Wer atmet statt uns?“ heißt es philosophisch in einem der Texte. Man merkt, dass die beiden, Autorin und Kontrabassist, gut eingespielt sind, und so ergänzen einander Text und Musik überaus harmonisch. Und mitten drin höre ich den Satz: „An der tiefsten Stelle unserer Wünsche treten wir an Land.“

Zwischenbemerkung: Die Zuhörerschaft ist zu so später Stunde bereits merklich geschrumpft; nur mehr knapp die Hälfte der Stühle ist besetzt.

23:59

Als Nächste ist Nika Pfeifer (*1975) an der Reihe. Sie arbeitet an den Schnittstellen von Text, Performance und künstlerischer Forschung. Sie lebt und arbeitet vor allem in Brüssel. Sie liest aus dem neuen Band Tiger Toast, der im Ritter Verlag erschienen ist. Die teilweise als Fließtext geschriebenen Prosagedichte werden, quasi zum Mitlesen, projiziert.

Nika Pfeifer liest bei der Poesiegalerie am 16.11.2024

Auffällig ist eine Mischung von deutscher und englischer Sprache, die manchmal sogar innerhalb eines einzigen Verses auftritt. Einer der Texte verrät sogar dreisprachige Elemente; zu den beiden vorhin genannten Sprachen gesellt sich noch Französisch. Die Arbeit mit und an der Sprache bzw. den Sprachen ist ein Charakteristikum von Pfeifers Gedichten.

00:16

Lukas Meschik liest und musiziert bei der Poesiegalerie am 16.11.2024

Das Finale bestreitet Lukas Meschik (*1988). Er ist Autor und Musiker, liest aus seinen Texten und begleitet sich selbst auf der Gitarre in bester Liedermacher-Manier. Er veröffentlichte Romane, Erzählungen und Lyrik. Die Lyrikbände erschienen im Limbus Verlag, 2020 und 2024.

Zwischen den musikalischen Einlagen, beschwingten Liedern in deutscher Sprache, liest er aus seinen Dreizeilern aus dem bei Limbus erschienen Band Form wahren, die manchmal Vierzeiler sind (weil dann nämlich der Gedichttitel syntaktisch einbezogen wird). Lockere, launige Texte, die ähnlich einem Tagebuch chronologisch verfasst wurden und von Alltagsbeobachtungen über Philosophisches hin zu Kritischem reichen. Meschiks multimedialer Auftritt endet um 00:48 Uhr.

00:49

Udo Kawasser dankt dem gesamten Team, verteilt süße Aufmerksamkeiten und kündet die finale Bücherverlosung an.

00:55

Da das Publikum zu dieser späten Stunde bereits ausgedünnt ist, meint Udo verschmitzt, es gäbe diesmal deutlich mehr Bücher zu verlosen als Zuhörende da seien …

Scroll To Top