Now Reading
Nix für ungut

Nix für ungut

Isabella Breier

Nix für ungut, Herr Νίκος,
und was, Ingeborg, hearst,
was soll nun werden,
im Ernst, sozusagen
jenseits der Zeilen?

Auf meine Wolke spring ich,
pappsatt und genervt
von den Niedrigkeiten der Welt,
zwar mit Καζαντζάκις
und Κοτόσουπα
in der Kunststoffbox,
aber dort fasse ich mich,
faste lieber
und lese viel Gramsci
oder mal wieder
meinen Bourdieu.

I

Das Licht, das trifft
auf eine wirklich finstre Stunde.

II

Ich schätze seine Helligkeit,
und wenn ich könnt,
würd ich sie messen,
akkurat,
anschließend klären,
was ich noch angemessen find,
und was warum wohl
aus der Form gelaufen ist.

III

Auch fang ich einen Aufsatz an, zur Frage,
wieso die Äpfel und Birnen
und Nüsse und Zwetschken,
die mir auf den Kopf fallen,
beim Sprint durch die Felder,
meinen Sinn für Sinn
nicht richtig nähren,
wenn ich sie
– den gängigen Regeln gemäß –
verschlinge, verdaue.

IV

Sogar vor den raffiniertesten Metaphern
graust mir schon,
wenn ich derart überfressen bin.

V

Wie soll ich den Prolog starten?
Vielleicht:

„Also manchmal,
immer öfter,
hab ich sie satt,
die …
wie
wie
wie …
Wirklichkeit (…)“

Oder:

„(…) die sich ähnelnden
Appetithäppchen
des …
allerlei …
Alltags (…)“

Nein!

„(…) die stetigen
Stoffwechselprozesse,
deren Dynamiken
man doch längst
verstanden hat,
zumindest theoretisch,
oder etwa nicht?“

VI

Und was kann, will ich hoffen?
Und was soll, muss ich glauben?

Und für heut
steht da noch
ein üppiges Gericht
auf meinem Bild von Weg –
eins, dessen Geschmack
ich überhaupt nicht mag.

VII

Da bleib ich jetzt lieber
ernüchtert liegen,
denn …

Wenn schon
nüchterne Nabelschau,
dann:
in der Wiese.

Oder auf
als Wolken
zur Kenntnis
genommenen
Wolken,
mit nacktem Bauch,
mit Buch, Block und Stift
und dem Wissen, dass
der angeblich ureigene Kopf,
der ach höchst persönliche Leib
und all diese Früchte
in dieser Welt gewachsen sind,
in ihr verfaulen,
verwesen.
(Nix für ungut,
Herr Νίκος,
aber
ich hoffe dauernd,
und ich fürcht mich vor vielem,
und „frei“ ist
ein Begriff,
den wir definieren sollten,
wenigstens ein wenig,
bevor wir ihn verwenden.)

Zuletzt erschien von Isabella Breiermir kommt die Hand der Stunde auf meiner Brust so ungelegen, dass ich im Lauf der Dinge beinah mein Herz verwechsle. Lyrikband in zwölf Kapiteln. Mit Illustrationen von Hannah Medea Breier. Edition fabrik.transit, Wien 2019. 328 Seiten. Euro 17,-

Scroll To Top