Nicole Streitler-Kastberger liest Patricia Brooks’ Luna Park
Patricia Brooks hat bereits eine Reihe von Büchern vorgelegt, vor allem Romane und Kurzprosa. 2022 erschien der Gedichtband Bukarest Bistro, 2023 der Roman Flussgeister, und nun 2024 der Gedichtband Luna Park. Das Cover – auf dem der Titel seltsamerweise zusammengeschrieben wird – ziert eine Aufnahme des Brighton Pier, mit dem ich selbst sehr schöne Erinnerungen verbinde: 16 Grad und leichter Nebel im August, meine fünfjährige Tochter gewinnt das Delphin-Rennen gegen eine Reihe von Erwachsenen. Der Park spielt aber im Gedichtband kaum eine Rolle, er ist nur der Titel eines der Gedichte. In diesem lesen wir: „ja, meine Hochzeit / ergötzt die Fische / die Zauberlehrlinge und / Trüffelträumer“. In dieser Tonart erklingt vieles in dem Band.
Brooks’ Gedichte sind gekennzeichnet von einer sprachlichen Verspieltheit, die sich an gesuchten Wörtern „ergötzt“. Es sind keine Wortspiele im eigentlichen Sinn – auch wenn sich solche auch in dem Band finden –, ich würde es eher als Wort-Verspieltheit bezeichnen, die dem einzelnen Wort im Gedicht oft größere Bedeutung beimisst als dem Sinnzusammenhang.
Cover © Edition fabrik.transit
Allerweltsgeschichten
Dem Band ist eine Art Vorwort beigegeben. In diesem erklärt die Autorin, dass der Band 63 Gedichte umfasse und dass er von Menschen handle, „die in Anbetracht einer aus den Fugen geratenen Welt, in der es so schwierig geworden ist, Halt und Sicherheit zu finden, in einem wippenden Zustand zwischen Klarsichtigkeit und Illusion leben“; in diesem Zustand „begegnen sie der Welt mit einer unerschütterlichen Freude am Lebendigsein“. Das ist programmatisch zu verstehen. Dementsprechend ist ein Großteil der Texte auch von einer grundsätzlichen „Freude am Lebendigsein“ gekennzeichnet, die sich in einer Sprachlust äußert, die fast maschinell Wörter und Bilder fabriziert. Dabei kommt ein spezifischer Sound zustande, ein fast gehetztes Galoppieren durch Sprachwelten. So etwa im Gedicht „Donnerstagebuch“:
im Mund ein Geschmack von Kaffee und Asche wir streifen die Worte ab Postings im Spinnennetz digitale Schläfrigkeit Hipster-Austern und mein bleiches Herz winterlich fühlt sich das an immer, immer siehst du das nicht Plauderdiebe stolpern durch die Tropfennacht schwarzer Regen klopft im Takt an die Tür scht, scht,... wir sind hier Donnerstag Abendmahl … und kein zusätzlicher Text
Es sind durchaus Erkundungen des Alltäglichen, die Brooks in ihren Gedichten unternimmt. Unter „digitaler Schläfrigkeit“ leiden wir ja letztlich alle, wegen der ganzen lästigen „Postings im Spinnennetz“. Das zitierte Gedicht, das schon im Titel ein gelungenes Wortspiel enthält, ist symptomatisch für den Band. Es enthält Bruchstücke aus dem Alltagsleben, die mit besonderen Wörtern rhetorisch verbrämt sind, Ausschnitte aus dem Leben der Digital Natives.
Vielsprachigkeit
Zur Verspieltheit des Bandes gehört auch die Durchflutung der Texte mit Fremdsprachen: Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch etc. Die Autorin ist offensichtlich polyglott und lässt das auch in die Texte einfließen. Man muss das nicht mögen. Nicht jeder und jede verfügt schließlich über die Fähigkeit, alle diese Codes zu dekodieren. Der Mehrwert ist dann fraglich. Es gehört aber wahrscheinlich zum Charakter und auch zur Besonderheit dieser Autorin, dass sie in vielen Sprachen denkt. Und so gehen diese auch in ihre Texte ein. Zwei Gedichte, die gänzlich auf Französisch verfasst sind („J’adore tous mes alors“ und „Le weekend“), werden im Anhang in deutscher Übersetzung wiedergegeben. Gut. Kann man machen. Viele fremdsprachige Stellen bleiben aber unkommentiert. Kann man natürlich auch machen. Manchmal finde ich die Sprachmischung auch sehr gelungen, so etwa in der ersten Strophe von „Glücksritt“:
Kilometer 0 im schlanken Schwanken der Kakaobohnen auf den Spielautomaten Charlotte langweilt sich im virtuellen Raum Slotmachine how to do 5 Früchte die Kirschen bringen Glück
Patricia Brooks hat das Zeug dazu, eine Autorin des Global Village zu sein. Wenn die Marsmännchen kommen, kann man ihnen die Texte von Brooks vorlegen, als Ausweis einer Kultur, die vieles in sich aufgenommen hat, die getragen wird von einer prinzipiellen (auch sprachlichen) Grenzenlosigkeit, einer kulturellen Vielfalt und Vielsprachigkeit.
Kurz gesagt
Der Band enthält, das muss auch gesagt werden, viele schöne Stellen, vor allem dort, wo die Autorin ganz kurz und konzis wird, etwa im Gedicht „Was soll ich dir über mich sagen?“.
ich bin der Morgen der ins Haus kommt und der Abend der die Türe schließt
Das ist gelungen und originell. Auch die letzte Zeile des „Analog Room“: „ich schlafe nicht gerne allein“ ist gut und pointiert gesetzt. Schön auch die Miniatur „Drüben (tableau vivant)“:
das Licht ist an die Luft vibriert im Fenster gegenüber die Landschaft einer Familie unruhiges Kind will doch nur endlich einmal blühen
So enthalten viele Gedichte „auf ein oder zwei Seiten kondensierte Romane“, wie man mit Peter Altenberg sagen könnte. Es sind Miniaturen einer Welt, die aus den Fugen geraten ist („out of joint“, ein Shakespeare-Zitat), in der es aber dennoch noch so etwas wie Glück gibt, und sei es nur das Glück, das richtige Wort gefunden zu haben.
Patricia Brooks: Luna Park. Gedichte. Mit einem Nachwort von Birgit Schwaner. Edition fabrik.transit, Wien, 2024. 87 Seiten, Euro 20,–