Die POESIEGALERIE stellt ihren Autor*innen Fragen zum Schreiben: Heute die Antworten von Astrid Nischkauer
2. Ist Schreiben für dich eher Handwerk oder Inspiration? Wie passen diese beiden Pole zusammen?
Schreiben ist eine Kunst, zu der, wie bei jeder Kunst, auch das nötige Kunsthandwerk gehört, das man sich durch unerschöpfliche Neugier und Begeisterung für Literatur erarbeiten bzw. erlesen kann. Wer schreiben will, sollte lesen, lesen und noch viel mehr lesen. Und zuhören, eine hohe Kunst, der man sich drei Tage lang bei der Poesiegalerie hingeben kann. Aber ohne Inspiration verkommt Kunst zu Mechanik. Es braucht das nötige Handwerkszeug und Inspiration.
3. Wo findest du deine Themen? Eher in deinem Leben und unterwegs oder in Büchern und Medien?
Mit meinem Schreiben trete ich in ein Gespräch mit Kunstwerken der bildenden Kunst oder mit Menschen, reagiere auf das, was mich berührt und verändert. Bei Lyrik geht es allerdings weniger um Themen, sondern mehr um den Fluss der Sprache und den Klang und Rhythmus der Worte. Und diese Stimme kommt aus meinem Innersten, nicht von außen.
5. Trifft auf dich das Diktum zu, dass Dichter*innen Seismographen ihrer Zeit sind – und wenn ja, inwiefern? Anders gefragt: Siehst du für dich als Dichter*in eine Aufgabe in Bezug auf das gesellschaftliche Ganze?
Ja, Dichterin zu sein bedeutet für mich, Verantwortung zu leben, meinen, wenn auch noch so kleinen Teil beizutragen, um aktiv am Gesellschaftsleben teilzunehmen. Mein Schreiben reagiert, antwortet und bezieht Stellung zu Fragen der Zeit. Nicht laut und überhastet, sondern bedächtig und beständig. Als Dichterin, Übersetzerin und Herausgeberin trete ich auch für die Stimmen anderer ein, insbesondere auch für Exilautor*innen. Es gilt, gegen das Vergessen anzuschreiben.
6. Kannst du mit dem Satz „Dichten ist ein brotloser Beruf“ etwas anfangen? Oder besteht in deinem Leben eine Spannung zwischen Schreiben und Einkommen?
Da ich ausschließlich Gedichte schreibe und auch vorwiegend Gedichte übersetze, kann ich unmöglich vom Schreiben leben. Ich arbeite daher neben dem Schreiben bzw. schreibe neben der Arbeit. Da ich im Literaturbetrieb arbeite, im Verlag der Theodor Kramer Gesellschaft und bei der IG Autorinnen Autoren, kann ich mit Fug und Recht sagen, dass mein Leben Literatur ist und ich für die Literatur lebe.
7. Welche Autorinnen und Autoren, welche Gedichte haben dich geprägt, fürs Schreiben sowie fürs Leben?
Friederike Mayröcker, natürlich.
Mein Weg führte mich über Ernst Jandl und Ian Hamilton Finlay zu ihr. Daneben gibt es aber noch unzählige mehr, da ich immer schon gern gelesen habe und auch berufsbedingt sehr viel zu lesen habe. Besonders erwähnen möchte ich an dieser Stelle aber noch meine Übersetzungstätigkeit, die ganz wesentlich für mein Schreiben ist, da man beim Übersetzen die Grenzen der eigenen Sprache und seinen Horizont enorm erweitert. Zuletzt erschien da Die Stille ist ein Tänzer/ El silencio es una bailarina von Geraldine Gutiérrez-Wienken bei fabrik.transit. Ebenfalls anzuführen wäre Melitta Urbancic, eine Exilautorin, von der im Herbst 2024 ein von mir herausgegebenes Lesebuch mit Lyrik und Prosa im Verlag der Theodor Kramer Gesellschaft erscheint.
8. Woran schreibst du gerade bzw. woran hast du zuletzt geschrieben?
Zuletzt habe ich mit der bildenden Künstlerin Linde Waber einen Dialog in Bild und Wort geführt. Sie schickte mir jeweils eine postkartengroße aquarellierte Tuschezeichnung mit einigen Zeilen und ich antwortete darauf mit einem Gedicht, das sie wiederum mit einer Zeichnung beantwortete etc. Gemeinsamer Referenz- und Ausgangspunkt war dabei die von uns beiden sehr verehrte und geschätzte Friederike Mayröcker, mit der Linde eine jahrzehntelange Freundschaft verband. Die Zusammenarbeit mit Linde Waber war sehr inspirierend, harmonisch und ein Quell großer Freude. Ich verstehe mein Schreiben als Dialog, als Einladung zu einem Gespräch, bei dem alle Beteiligten einander voll Respekt zuhören. Der Band Flügelspitze an Flügelspitze mit Gedichten von Astrid Nischkauer und Bildern von Linde Waber erschien im Herbst 2024 in der Literaturedition Niederösterreich.