Die ersten fünf Gedichte auf unsere Ausschreibung vom Februar anlässlich des heutigen Welttags der Poesie. Vielen Dank für eure Einsendungen!
was ich werden wollte zwischenzeitlich fußballgott nachgeahmt mit bein schnell aushol und schieß ich tore tore tore will einzige frau sein in mannschaft glorreich begoldet tribünenfähnchen im wind spiel spring ich so toll schau messigleich, messias natürlich, langhaariges wortspiel ich so tüchtig in mann und glied einfügt endlich tor, weibkörp so bewundert mit wunden bedeckt heiliger grasfleck, richtig wildes huhn hände hoch high flatter abklatsch mit vorbild nachher im backstage gerahmt
Was ich werden wollte Brieffreund Weberknechtin Dachs in der Knipsbörse Herzkammerzofe Leitplanke auf Überlandautobahnraststätten Wegwarte auf Grenzbergen Gärtnerin von Pflanz Bürzel, Lunte, Wedel, Stoß Hegerin von Wortknospen Rolltreppe aufwärts Streifgebietserweiterer Dritter Mann (im Viererbob) Brutpfanne Rost im Grillnest Schwarte, Laus, Egel Einpflegeroboter von Satzpflegefällen Hagestolz und Vorurteileverurteilerin Stiller Geschlechtsteilhaber Sturm und Drang und Akne-Ätna (in der Pubertät) Zankstelle, Zwistgarant mit Sollbruchstelle (später) Absperrband in orange-grün Trugschlüsselroman Wurmfarnwedel, Holzbock, Schusterkäfer Vorgartenzwerg mit Schubkarre Köfteköder am Falaffelfeld Monokulturfichte im Gemeindewald (an schlechten Tagen) Bitternis im Keller (an noch schlechteren Tagen) Flittergeist in der Flasche Leitkegel auf frischen Mittelstreifenstraßenmarkierungen Warndreieck im Kofferraum Frech Frei Nie erwachsen
was ich werden wollte wenn nicht bandenführerin dann aber sachensucherin oder wenigstens rothaarig
vielleicht liegt es am Gespür, am nachsinnen meines vorangegangenen Ichs, wenn ich mich im Spiegel betrachte und denke, was aus mir geworden ist, was stimmt noch mit dem Selbstbild, das ich einmal von mir hatte überein, zwischen diesem vorgezeichneten und der Vorstellung einmal so zu malen wie Schulz oder Hergé, wie Uderzo und Franquin und ich zeichne meine Spuren, schreibe alles nieder, Bilder sagen mehr als ich es manchmal auszudrücken weiß und doch das Malen ist mir nicht geblieben, die Wörter immerhin so manches Mal, wie schön kann es doch sein, wenn man in alten Zeiten blättert
was ich werden wollte gewidmet meiner Mutter, Ottilie Brenessel was willst du einmal werden, fragte die tante. nichts, sagte ich, nichts! meine mutter hielt die luft an mit falte zwischen den augen. ich dachte, ich bin einfach ilse, das genügt mir vollauf. es war ja nicht leicht, ilse zu sein. der beruf ist gemeint! meine mutter zischte erzürnt: irgendwann brauchst auch du einen beruf. meine mutter hatte einen beruf. ich zitiere ihr credo: eine frau braucht beruf, führerschein plus kurzhaarfrisur. ach, mutter, mutter was soll ich wollen? soll ich die welt retten als superman, ärztin sein in wildfremden ländern, geld stehlen zu gerechter verteilung? meine mutter zischte schon wieder. sie war interessiert an einem beruf für mich, ihre tochter, welt retten ist kein beruf. stehlen verboten. ich wollte so viel, aber dann, irgendwann, wollte ich schriftstellerin sein und so kam es: ich schreibe. ich wurde nicht ärztin. ich wurde nicht diebin. nicht superheldin, nicht star. ich wurde nicht nichts. da bin ich. ich schreibe fußnoten zu dieser welt- geschichte, zu diesen geschichten.
Die POESIEGALERIE dankt nochmals herzlich allen teilnehmenden Dichter*innen. In den nächsten Tagen und Wochen werden wir die weiteren Einsendungen veröffentlichen.