Gundi Feyrer
Der Morgen taut auf, fällt mir ins Gesicht. Dann habe ich ihn im Gesicht. Dann ist mein Gesicht der Spiegel des Morgens. Dann ist mein Gesicht selbst aus ihm, dem Morgen, gemacht, ist selbst dieser ein Morgen, der mir vorhin auf einmal ins Gesicht gefallen ist und immer noch, den ganzen Morgen lang, mir dort, im Gesicht, hängenbleibt. Dann atme ich ihn, den Morgen, hole Luft aus ihm heraus, aus ihm, der ich selber bin. Und immer anders. Er, der mir vorhin ins Gesicht gefallen ist. Mit einem Mal und immer anders. Später geht er weg, er, der Morgen, und löst sich auf, in meinem Gesicht, beginnt irgendwo anders zu schwimmen. Noch später fielen die Vögel aus dem Tag heraus.
Das Gedicht „Der Morgen taut auf, fällt mir ins Gesicht“ von Gundi Feyrer erschien in: Der Tempel des Nichts (Das Zaubern). Ritter, Klagenfurt 2020. 90 Seiten. Euro 18,90